Seite - 142 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISEBERICHT
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gründerzeitliche Elemente europäischer Hausfassa-
den erinnert. Im Tal dazwischen, durch das wohl
immer wieder Flutwellen stürzen, wenn es oben auf
den Plateaus regnet, und das deshalb von großen,
abgerundeten Schotterbrocken geprägt wird, wei-
den im aufgehenden Gras und an den Gebüschen
Schafe und Ziegen die kargen harten Blätter trocke-
ner Büsche ab. Die Hirten sind meist Frauen, die
neben dem schwarzen langen Schleier einen sehr
weitkrempigen, in der Mitte aber hoch aufragenden
und oben spitz zulaufenden, charakteristischen Hut
tragen. Die schwarzhäutigen Hirtinnen sind in der
Regel barfuß unterwegs. Die Unterseiten ihrer Füße
müssen mit einer undurchdringlichen, dicken Horn-
schicht überzogen sein.
Chrecher
In Chrecher trafen wir nochmals auf zahlreiche Häu-
ser mit reichen, großteils pastellfarbenen Bemalun-
gen über die gesamten Fassaden. Bei einer Schule
kamen uns viele Kinder entgegen und stellten mit
ihren noch geringen Englischkenntnissen viele Fra-
gen über Herkunft, Namen, Ziele, Sinn der Reise
und vieles mehr. Als der entstehende Lärm zu groß
wurde, die Kinder bereits anfingen lästig zu werden,
indem sie an meine Tasche griffen, trat unser ver-
ständnisvoller, sympathischer und umsichtiger Fahrer
kurzerhand aufs Gas und wir entschwanden in einer
dicken Staubwolke.
Der Fahrer war auch ein guter Lehrer. Er trainierte
uns lautstark während der Fahrt in arabischen Begrif-
fen, nannte die Ortsnamen, bis wir sie richtig aus-
gesprochen nachsagen konnten, und brachte uns
das Zählen und vieles andere bei. Vor meiner ersten
Ägyptenreise hatte ich schon einmal einige arabi-
sche Begriffe gelernt, die ich hier nun auffrischen
und erweitern konnte. Er war aber auch ein sehr
lustiger Begleiter mit schwarzen lebendigen Augen,
tiefdunkler, fast schwarzer Hautfarbe, er trug einen
Turban aus gemusterter Seide, ein dunkelbraunes,
europäisch wirkendes Hemd und er hatte einen far-
benprächtigen Wickelrock umgebunden, wie ihn
hier fast alle Männer tragen. An den Füßen trug
er offene ledergefertigte Sandalen. Seine teuer wir-
kende Armbanduhr muss er sich mit Fahrten wie mit
dieser Taxifahrt finanziert haben. Hemd und Sarong
dürften wohl beide aus Thailand stammen.
Erosionen durch Regen und die Reflexion des Son-
nenlichtes auf diesen weißen Flächen, insbesondere
auf den horizontalen Dachflächen. Das hilft gegen
die Erhitzung des obersten Geschoßes.
Bei neueren Bauten findet sich im Wadi Duan auch
ein Haustypus, bei dem über die gesamte Fassade
eine pastellfarbene helle Gestaltung aufgebracht ist.
Der Dekor dieser neueren Bauten wurde offenbar
stark von Europa beeinflusst. Wir fuhren wieder zu-
rück, bis wir vom Wadi Amd ins Wadi Duan nach
Osten einbiegen konnten und gelangten im Wadi
Duan nach Süden fahrend auf einer fürchterlich un-
ebenen Kiespiste mit tiefen Querrillen bald nach Al
Hadjarein.
Hadjarein
Die Stadt steht fast unwirklich aussehend auf einem
inselartig im Wadi stehenden hohen Felsrücken. Im
Jemen enthalten viele Stadtnamen den Wortstamm
“Hadja”, was Stein oder Fels bedeutet. Auch Had-
jarein steht auf einem hohen Felsen. Die meist ho-
hen, dicht nebeneinander errichteten Häuser der
Stadt bestehen gewöhnlich im Sockel auch noch
aus grob rektangulierten Steinblöcken. Weiter oben
wurden die meisten Bauten dann aus Lehm gebaut.
Die Anlage dieser Stadt muss zwei große Vorteile
gehabt haben. Hoch oben auf dem Felsen war sie
fast uneinnehmbar und vor den seltenen aber oft
sehr heftigen Flutwellen im Wadi Duan war sie hier
völlig sicher. Die Häuser wirken in ihrer Schlichtheit
von weitem wie eine Modellstadt - unwirklich und
unnahbar.
Bei wohl allen älteren Bauten, die oft auf überhän-
genden Felsvorsprüngen errichtet wurden, finden sich
immer noch die unregelmäßig angeordneten Auskra-
gungen – meist mit den “T”-förmigen Unterkonstruktio-
nen. Diese geben den Fassaden einen rhythmischen,
konstruktiven Dekor. Da einige Bauten gerade aufge-
stockt oder neu errichtet wurden, schien es sich bei
Al Hadjarein um eine lebendige, noch aufstrebende
Stadt zu handeln. Einige der Bauten erreichen auch
hier bis zu sechs, sieben Stockwerke. Nur wenige
sind weiß gefärbt; die meisten haben die Farbe des
Lehmstaubes, der mit jener des Felsen übereinstimmt,
so dass die Bauten wie eine Überhöhung der natür-
lichen Felsformationen wirken und mit diesen in Form
und Farbe fast verschmelzen.
Schräg gegenüber von Hadjarein auf der west-
lichen Seite des Wadis liegt eine kleine Stadt mit
relativ vielen neuen Häusern, die zum Teil ganz in
Pastellfarben differenziert farbig gestaltet sind und
in manchen Fällen farbigen Dekor tragen, der an Abb. 146
Sehr schön gestaltete Holztür in Hadjarein.
Auch bei ihr sind doppelaxtförmige Metall-
elemente in den Rücksprüngen montiert.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix