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Die Jemeniten sind ein sehr stolzes und hoch kulti-
viertes Volk. Besonders auffallend ist bei den Be-
wohnern des Jemen das extrem ausgeprägte Gestal-
tungsbedürfnis in Bezug auf ihre Bauten. So gibt es
sicher auf diesem Globus kaum ein weiteres Land,
in dem bis in unsere Zeit Bauten noch reicher, noch
phantasievoller und prächtiger gestaltet wurden als
im Jemen. Wir trafen auf zahlreiche unterschiedliche
Gebäudetypen, die in Abhängigkeit von den jeweils
in der Umgebung verfügbaren Baumaterialien entwi-
ckelt wurden. Bei allen fanden die Erbauer Wege
zu einer reichen Gestaltung. Auch die variierenden
Siedlungsformen, die zum Teil auf die jeweiligen ört-
lichen topografischen Voraussetzungen zurückgeführt
werden können, strahlen Selbstbewusstsein und Ge-
staltungswillen aus.
Die Jemeniten kennen aber auch eine ausgefallene
und nachahmenswerte Art der Streitkultur. Der Anklä-
ger muss seine Argumente in Gedichtform mit Rhyth-
mus und Reimen vortragen. Auch der Angeklagte
muss in Gedichtform antworten. In welcher anderen
Kultur gibt es eine derartige Streitkultur, bei der schon
durch die Konzentration auf das Dichten die Emotio-
nen automatisch heruntergefahren werden?
1990, also knapp bevor Adele und ich den Jemen
Ende Dezember 1991 und Anfang Januar 1992 be-
suchten, hatten sich der Nordjemen und der Südje-
men zu einem Gesamtstaat zusammengeschlossen,
was für unsere Reisemöglichkeiten von großem Vorteil
war. Als wir dann den Jemen bereisten, bemerkten wir
allerdings sehr bald an vielen Einzelerlebnissen, dass
der Jemen in Wirklichkeit nicht einmal innerhalb des
Nordjemen oder des Südjemen ein halbwegs homo-
genes Staatsgebilde darstellt, sondern aus vielen ein-
zelnen, fast autonom agierenden Stammesgebieten
Vorbemerkungen
besteht, aus einem bunten Mosaik von weitgehend
selbstständigen Klein- und Kleinstfürstentümern.
Eigentlich liegen die nördlichsten Landesteile des
mehr als zweimal so großen Südjemen mehr als hun-
dert Kilometer weiter im Norden als die nördlichsten
Landesteile des Nordjemen. Eher sollte man daher
beim ehemaligen Nordjemen von einem Westjemen
und beim Südjemen von einem Ostjemen sprechen.
Aber da die Hauptstadt des Nordjemen Sanaa mehr
als 200 km nördlich von Aden liegt, der Hauptstadt
des Südjemen, wurden die Bezeichnungen der Lage
der Hauptstädte zugeordnet.
1991 trug wohl ausnahmslos jeder männliche Jeme-
nite eine Djampiya, den traditionellen Krummdolch
im Gürtel, und auf dem Lande wenigstens eine Feuer-
waffe bei sich. Meist hatten sie ein Gewehr oder
eine Kalaschnikow über die Schulter gehängt, nicht
selten auch beides. Daneben verfügten viele Jemeni-
ten im Gepäck auch noch über eine Pistole und oft
lag auch eine doppelläufige Flinte im Wagen. Auf
Taxifahrten durch entlegene unübersichtliche Gebirgs-
zonen hatten die Fahrer in der Regel mindestens eine
Waffe griff- und schussbereit neben sich auf dem Sitz
liegen – für alle Fälle. Glücklicherweise traten solche
Fälle auf der damaligen Reise nicht ein.
Spätestens seit der Antike liefen immer wieder Schif-
fe die Hafenstädte des Nordjemen entlang der Küs-
te des Roten Meeres und auch die des Südjemen
am Indischen Ozean an. Über diese wurde schon
sehr früh Handel auf dem Seeweg bis in weit ent-
fernte Länder wie Indien und Südostasien einerseits
und in den Mittelmeerraum andererseits getrieben.
Daneben gab es die vielleicht ältere Weihrauch-
straße, die als Landverbindung mit einigem Abstand
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix