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Geographie, Land und Leute
Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Seite - 278 -
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278 ANALYSE Saada-Lehmbauweise In Saada findet sich bei den historischen Bauten eine weitere Lehmbauweise. Hier gehören markante ho- rizontale Fugen an den Fassaden der historischen Bauten in der Altstadt zum alles prägenden Charak- teristikum. Unverwechselbar werden die Fassaden dadurch, dass diese Fugen an den Gebäudeecken jeweils in einer abgerundeten Stufe um etwa 30 bis 50 cm hinaufgeführt werden. Die ca. 50 bis 70 cm hohen Lehm-Schichten suggerieren von weitem gese- hen, dass es sich um Bauten in Pisé-Bauweise han- deln könnte. Das trifft aber nicht zu. In Wirklichkeit wird jede dieser Lehmschichten aus unzähligen nassen Strohlehmklumpen händisch ohne Schaltafeln aufgebracht und so geformt, dass jeweils die untere Kante einer Schicht etwas ausgestellt vor- tritt und nach oben gleichmäßig um einige Zentimeter zurückweicht. Die Schichten wirken dadurch von der Seite gesehen fast wie langgezogene Schuppen oder wie Schindeln auf einem Dach. Hierdurch wird das Regenwasser von jeder Schicht etwas nach außen geführt. Welchen Sinn das Heraufziehen der Schich- ten zu den Hausecken hat, konnten wir leider nicht he- rausfinden. Es ist bei allen historischen niedrigen Lehm- bauten dieser Art und auch bei den vielgeschoßigen Lehmtürmen anzutreffen und wird auch noch heute bei Bauten in traditioneller Bauweise so ausgeführt. Bei großen Dachflächen wird eine Art Wasserspeier an der Dachkante ebenfalls aus Lehm errichtet, der das Wasser möglichst in einem Bogen jeweils vom Haussockel möglichst weit entfernt unten auftreffen lassen soll. Diese Wasserspeier müssen nach jedem Regen sorgfältig ausgebessert werden. Manche Häuser haben ganze Serien solcher Wasserspeier nebeneinander an der Dachkante. Insbesondere das Strohlehmgemisch muss an der Oberfläche in einer Weise verarbeitet werden, dass das im Lehm einge- lagerte Stroh nach dem Abschwemmen der obersten Lehmschicht durch Regen selbst einen möglichst guten Schutz gegen die weitere Erosionskraft des Wassers bildet. Grafisch erhalten viele Bauten durch die Was- serspeier eine Art vortretenden oberen Abschluß (sie- he S. 196, Abb. 217). Schaabwa-Riegelwände Es gab in der Region um Schaabwa eine ganz spe- zielle Art von Lehmziegelwänden, die über ein dreidi- mensionales Korsett von starken Riegelwandkonstruk- tionen verfügten. Diese Konstruktionsweise findet man bis heute noch vereinzelt im Jemen. Als mir am 15. 1. 1992 spät nachts der französische Archäologe Jean Françoise Breton eine solche in Schaabwa freigeleg- te Lehmhochhäuser aus Lehmziegeln stark den in Pi- sé-Bauweise, in Stampflehm-Bauweise, errichteten Bauten. Oft muss man mehrmals hinsehen, bevor klar wird, dass die großen Felder nicht dem Format von Schaltafeln entsprechen, sondern nur die sehr regelmäßigen rektangulären Abschnitte zeigen, in denen der Verputz aufgetragen wurde. So sind die Angaben in der Literatur über die Verwendung von Stampflehm (Wald 1980:298) mit Vorsicht zu be- handeln. Bei heutigen Neubauten von Hochhäusern in Schibam kann es natürlich kaum ausgeschlossen werden, dass jemand inzwischen auch großforma- tige, glatte, ebene und aus einem harten Holz ge- fertigte teure Schaltafeln bis ins Wadi Hadramaut gebracht hat, um auf diese Weise schneller bauen zu können. Aber selbst beim langsamen Abbau ein- sturzgefährdeter Hochhäuser werden meist die alten Adobes aus den Mauern nach Möglichkeit noch herausgelöst, in den Straßen der Umgebung und unterhalb gestapelt und beim Ersatzbau gleich wie- derverwendet, was wir an einigen Stellen in Schi- bam, Seiyun und in Tarim aber auch im Wadi Duan beobachten konnten. Grundsätzlich wäre die Pisé-Bauweise eine beque- mere Alternative zur Adobe-Bauweise, vor allem, wenn die Bauten nicht sehr hoch sind. Vermutlich ist dies aber in der Vergangenheit an der Beschaffung entsprechenden Holzmaterials für die Schaltafeln ge- scheitert. Das Palmenholz ist zu weich und zu rau für diesen Zweck. Andere Hölzer wachsen nicht gerade genug, um daraus glatte Bretter gewinnen zu kön- nen. Der Weg vom Wadi Hadramaut bis zum Meer war weit, solange man über keine Lastkraftwagen verfügte. Bei zwei Hochhäusern in Schibam sahen wir, dass die Treppenhäuser direkt an eine Außenwand grenz- ten. Diese konnten daher recht gut vom Tageslicht beleuchtet werden. Es waren je nach Stockwerks- höhe drei- oder vierläufige Treppen, die um einen relativ massiven Mittelpfeiler liefen. Die Lehmstufen und auch der untere Rand des aufgehenden umge- benden Mauerwerks waren mit heller Lackfarbe ge- strichen, was die Widerstandsfähigkeit gegen raue Füße oder raue Strümpfe deutlich erhöht. Im Treppenhaus waren auch in jedem Stockwerk die Glocken montiert, die eine um Einlass bittende Per- son durch Ziehen des Seiles hinter dem kleinen Tür- chen neben der Haustür zum Läuten bringen kann. Von diesem Treppenhaus gehen pro Stockwerk meist zwei Türen, seltener nur eine oder gleich drei in die Wohnungen des Stockwerks (siehe S. 151, Abb. 157).
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Jemen Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Titel
Jemen
Untertitel
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Autor
Hasso Hohmann
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-670-3
Abmessungen
20.0 x 27.0 cm
Seiten
308
Schlagwörter
Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkungen 7
    1. Reisemotive 9
    2. Reiseplanung 12
  2. Einige Tage Ägypten 17
    1. Sakkara 18
    2. Memphis 19
    3. Gizeh 20
    4. Kairo 21
    5. Ägyptisches Nationalmuseum 24
    6. Altstadt von Kairo 25
  3. Reise durch den Jemen 29
    1. Altstadt von Sanaa 33
    2. Kleidung von Männern und Frauen 42
    3. Die leichte Droge Kat 56
    4. Marib 60
    5. Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
    6. Säulen und ihre Kapitelle 74
    7. Flug ins Wadi Hadramaut 78
    8. Wasserhäuser 84
    9. Tarim 86
    10. Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
    11. Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
    12. Mausoleum in Al Ghurfa 107
    13. Schibam 108
    14. Seiyun 124
    15. Auskragungen und Vorspanneffekte 133
    16. Hureida 139
    17. Hadjarein 142
    18. Chrecher 142
    19. Sif 144
    20. Bienenhaltung in Amphoren 152
    21. Al Mukalla 157
    22. Fahrt nach Aden 165
    23. Aden 168
    24. Taiz 175
    25. Saada 195
    26. Schahara 202
    27. Fahrt nach Sanaa 209
    28. Amran 209
    29. Thulla 213
    30. Kaukaban 218
    31. Kuchlan 224
    32. Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
    33. Hodeida 233
    34. Zabid 236
    35. Hadjara 242
    36. Rauda 249
    37. Baynun 254
    38. Zurück entlang des Roten Meeres 268
  4. Siedlungsformen 273
    1. Schibam 273
    2. Hadschara 273
    3. Hadscharain 274
    4. Schahara 274
    5. Al Qurazihah, Afrikanischer Kral im Jemen 275
    6. Aden 276
  5. Bauformen 277
    1. Adobe-Lehmhochhäuser 277
    2. Saada-Lehmbauweise 278
    3. Schaabwa-Riegelwände 278
    4. Steinbauten 284
    5. Vorkrageffekte bei Lehmbauten 284
    6. Rundtürme mit aufgebauten Kleinpalästen 285
  6. Architekturdetails 287
    1. Kuppeln 287
    2. Gurtbögen 287
    3. Säulen, Pfeiler und ihre Kapitelle 288
    4. Verschachtelungen 288
  7. Apendix
    1. Bibliographie 292
    2. Abbildungsnachweis 294
    3. Anmerkung zu Ortsnamen 295
    4. Glossar 296
    5. Zu den Reisenden 302
    6. Dank des Autors 303
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