Seite - 124 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISEBERICHT
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re mit geringem Abstand vor den Fassaden, die an
unterschiedlichen Stockwerken mit ihren Anschlussroh-
ren andockten. Das hat den Vorteil, dass die Rohre
beobachtet und Undichtheiten hoffentlich früh genug
entdeckt werden können. Inzwischen gehört Schibam
zu den spektakulärsten Städten auf der UNESCO-Lis-
te des Weltkulturerbes. Der stete und zunehmende
Schwund an junger Bevölkerung in den Häusern wird
allerdings immer bedrohlicher, weil die verlassenen
Häuser nicht mehr saniert und betreut werden und so
auch zur Gefahr für die Nachbarobjekte werden. So
verringert sich die Zahl der faszinierenden Hochhäu-
ser dieser Stadt stetig. Das UNESCO-Welt-Kulturerbe
Schibam ist akut durch Abwanderung bedroht.
Seiyun
Um 13.30 Uhr fuhren wir mit einem Sammeltaxi
wieder zurück nach Seiyun. Dort beobachteten wir
Lehm. Die Mauern, die im Erdgeschoß noch deutlich
mehr als einen Meter Wandstärke besaßen, hatten im
sechsten Stock nur noch eine Stärke von ca. 40 cm,
waren damit schon relativ schlank.
Nach dem Tee bot uns der Gastgeber nach einiger
Zeit alte Münzen zum Kauf an, was wohl der eigent-
liche Grund für die Einladung war. Wir lehnten da-
her die Einladung zum Mittagessen freundlich ab und
gaben zu verstehen, dass wir uns bei Münzen nicht
auskennen, Antiquitäten nicht ausführen dürfen und
auch knapp an Zeit und Geld sind. Daher kletterten
wir bald wieder die vielen Stufen hinunter und ver-
abschiedeten uns dankend.
Nachdem das Haus, das wir besichtigt hatten, im
Nordwesten lag, also fast diagonal zum Torbau,
wählten wir für den Rückweg eine andere Route durch
die Stadt und sahen dabei ein Haus, dass gerade ab-
getragen wurde. Wie man uns erklärte, hatte es sich
inzwischen zu sehr zur Seite geneigt, war einsturzge-
fährdet und wurde so auch zur Gefahr für benachbarte
Objekte. Es sollte bald wieder neu in der traditionellen
Bauweise rekonstruiert werden. Zwei Plätze, die wir
von außen nicht sehen konnten, ließen vermuten, das
auch weitere Gebäude schon hatten abgebrochen
werden müssen und manche nicht mehr neu errichtet
wurden. Auf unserem Weg zurück zum Tor kamen wir
außerdem an zwei der alten Hofmoscheen vorbei.
Die meisten Gassen sind nur für Fußgänger und
Reiter gebaut. Sie musste so breit gebaut werden,
dass zwei einander begegnende beladene Kamele
passieren können. Daraus ergibt sich eine Breite, die
man mit einem schmalen Personenkraftwagen auch
befahren könnte. Dem stehen aber die Gebäudefüße
im Weg, die auch für die Sicherheit der Bauten zur
Wegleitung von Regenwasser von den Hochhäusern
zur Straßenmitte wichtig sind. Manchmal hatten wir
das Gefühl, dass von oben etwas herunterspritzte.
Schaut man hinauf, so reckten sich zahlreiche dünne
Röhrchen und dünne oben offene Rinnen in enormer
Höhe aus den Fassaden. Es dürfte sich um nicht voll-
ständig abgetrocknete Reste von Küchenabwassern
gehandelt haben, die aus großer Höhe herunterka-
men und fein zerstäubt waren, aber manchmal eben
doch nicht ganz abtrocknen, bis sie unten im Stra-
ßenraum ankommen. Man sollte also darauf achten,
wenn man über sich ein leichtes Geräusch hört.
Sehr enge Sackgassen mit besonders geringen Ab-
ständen zwischen den Häusern wurden inzwischen
zu Installationsgassen für die vertikale Führung mo-
derner Infrastruktur verwendet. Vor den Rückseiten
der Hochhäuser standen daher schon häufig dünne
Wasserleitungsrohre sowie Regen- und Abwasserroh- Abb. 127
Dieses mit einer Flachdecke ausgestattete Mau-
soleum in Seiyun hat in seiner Gestaltung große
Ähnlichkeit mit manchen Taubenhäusern auf der
griechischen Kykladeninsel Tinos. Die dortigen
Taubenhäuser wurden fast alle während der
osmanischen Besatzungszeit, vor allem im 18.
Jh., errichtet.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix