Seite - 277 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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In den meisten Ländern des nördlichen Wüstengürtels
haben sich schon seit Jahrtausenden, also jedenfalls
deutlich vor der Einführung des Islam, eher niedrige,
ein- bis zweigeschoßige Hofhäuser mit Sommer- und
Winterhaus in einem Medina-artigen städtebau-
lichen System mit Zonen für Großfamilien wie den
Derbs in Marokko und mitunter nach ethnischen und
religiösen Gesichtspunkten getrennten Quartieren
innerhalb der jeweiligen Stadt, alles jeweils von ho-
hen Mauern mit mächtigen Toren auch innerhalb der
Stadt umschlossen, entwickelt. Es gab also quasi ein
ganzes System von schützenden Mauern, das jedes
Individuum im Kleinen wie im Großen umgab. Die
wesentlichen Elemente dieses Medina-Systems und
auch die Hofhäuser gab es bereits in den Wohn-
zonen der frühen mesopotamischen Städte Ur, Uruk
und Babylon vor mehr als 4000 Jahren bereits
(Lampl 1968:Fig.55 und 56), also schon lange vor
dem Islam.
Im Gegensatz dazu entwickelten die Jemeniten im
gesamten Land hoch aufragende Geschlechtertürme.
In Sanaa, aber auch in Hadschara wurden sie in
Stein errichtet und können bis zu sieben Stockwer-
ke hoch sein. In Schibam im Südjemen wurden sie
aus Lehmziegeln errichtet und erreichen bis zu acht,
maximal neun Stockwerke. In den großen Städten
sind sie oft zu Zeilen aneinandergebaut. Die Straßen
dazwischen sind gewöhnlich eher eng und führen so
zur erwünschten kühlenden Schattenbildung im inner-
städtischen Gefüge der Siedlungszentren. In vielen
Fällen sind sie entweder von einer wehrhaften Mauer
umgeben oder formen durch ihre Stellung zueinander
und durch Mauern in den Zwischenräumen sowie
durch die Nutzung der örtlichen Topographie eine
leicht zu verteidigende Gebäudegruppe, Siedlung
oder Stadt. Adobe-Lehmhochhäuser
Auf Grund des vorhandenen Lehms im Wadi Ha-
dramaut und seiner Seitentäler, aber auch in vie-
len anderen Regionen des Jemen werden jeweils
luftgetrocknete ungebrannte Lehmziegel, soge-
nannten “Adobe-Ziegel“ hergestellt, aus denen die
Geschlechtertürme in Lehmbauweise bis zu neun Ge-
schoße hoch hergestellt werden. Das unglaublichste
Beispiel dafür ist die Stadt Schibam, in der auf engs-
tem Raum eine ganze Hochhausstadt, ein Manhattan
der Wüste, errichtet wurde.
Auf Grund der geringen Niederschlagsmengen im
Jemen gibt es an wieder anderen Stellen des Lan-
des offenbar auch nur geringe Skrupel, Naturstein-
mauerwerk mit darüber folgendem Mauerwerk aus
ungebrannten Ziegeln zu kombinieren und darüber
anschließend vielleicht noch einmal das Material zu
wechseln und ein Stockwerk mit einem Mauerwerk
aus gebrannten Ziegel aufzusetzen. Der schwerere
Naturstein wird allerdings immer unten verwendet,
um auch aufsteigende Feuchtigkeit und eine Durch-
feuchtung des Lehms bei Regenereignissen durch
Spritzwasser zu vermeiden.
Die Lehmbauten aus Lehmziegeln werden außen in
der Regel auch noch mit einem schützenden Stroh-
lehmmörtel verputzt, damit bei Regen der Lehm we-
niger leicht erodiert. Dieser Verputz wird meist von
einem vor der Fassade aufgestellten Gerüst oder von
einem Hängegerüst aus in Schichten von vielleicht
80 bis 120 cm Höhe und in Abschnitten von viel-
leicht eineinhalb bis zwei Metern Breite aufgebracht.
Spätestens nach dem ersten stärkeren Regen werden
die Nahtstellen zwischen den einzelnen Verputzab-
schnitten wieder erkennbar. Dadurch ähneln verputz-
Bauformen
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix