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REISEBERICHT
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eine sehr effektive Wehranlage darstellt, fertigte ich
eine Planskizze davon an. Das Tor besteht aus einem
zentralen Raum zwischen zwei einflügeligen Toren
von jeweils 1.30 m Breite, die beide leicht zu ver-
barrikadieren sind, und zwei offenen überdeckten
Vorräumen, in denen der Aus- oder Einlasssuchende
sich auch bei Regen aufhalten kann. Innerhalb des
Tores steigt das Gelände an, sodass neun Stufen in
das Torbauwerk integriert sind.
Da der Fels rund um die Stadt senkrecht bis überhän-
gend abfällt, ist dieses Tor der einzige Zugang in die
Stadt. Die bis auf die äußeren Felskanten gebauten
Steinhäuser bilden dabei eine Überhöhung der natür-
lichen Wehrhaftigkeit. Sie schließen auch die Stellen
nach außen ab, wo die natürlichen Felsformationen
einen unzureichenden Schutz gewährten. Darüber
hinaus wurden in weiten Bereichen um die Stadt rie-
sige Kakteenwälder unterhalb der Felsen angesetzt,
die selbst eine feindliche Annäherung an die Felsen
schon höchst unangenehm gestaltet haben müssen.
Beim Näherkommen stellte ich fest, dass es Häuser
mit bis zu sieben hohen Stockwerken gibt. Da auch
hier die meisten Stockwerke Fenster haben, bei de-
nen die zu öffnenden Fenster und die Oberlichten
voneinander getrennt in den Fassaden angeordnet
sind, wirken die Häuser noch höher, als sie ohnehin
schon sind. Es gibt Häuser, die aus sehr sorgfältig
rektangulierten Steinen gefügt sind, und andere, bei
denen das Baumaterial eher grob bearbeitet und
auch unsorgfältig verarbeitet wurde. Fast alle Bau-
ten verfügten über einen Dekor aus weißen breiten
Linien, Dreiecken und komplexeren Mustern. Da die
Muster mit dem Format der Mauersteine korrespon-
dierend aufgetragen sind, ergibt sich ein sehr harmo-
nisches Bild.
Der Blick zurück auf die Felder und auf die Kleinstadt
Manacha hingegen war völlig ungetrübt. Ein blauer
klarer Himmel breitete sich über das Land hinter der
Wasserscheide. Herüberziehende Wolken wurden
beim Absinken in die wärmere und trockene Hoch-
ebene sofort aufgelöst. Die Region schien zu dieser
Zeit fast ausschließlich auf der Basis des Kat-Anbaus
und des Kat-Handels zu leben. Auf den Feldern hier
war Kat die Hauptanbaupflanze. Als wir schon re-
lativ nahe an Hadjara herangekommen waren, ver-
schwanden langsam die Wolken vollständig.
Hadjara
Man sah die hoch hinaufsteigenden Steinhochhäuser
von Hadjara auf dem 2300 m hohen Felsen, der
mit seinen Rissen und Überhängen sehr fragil aussah,
und weit unterhalb die kleinen Häuser der inzwischen
während des ersten Golfkrieges zwischen dem Irak
und den USA aus dem Land gegangenen Juden. Die-
se waren hier den ihnen erlaubten Gewerben wie
dem des Silberschmiedes jahrhundertelang nachge-
gangen. Sie durften aber nicht in der fast uneinnehm-
baren Stadtfestung auf dem Felsen wohnen. Damals
standen diese und viele andere Häuser, auch man-
cher hohe Wohnturm außerhalb der Stadt, weil in der
Altstadt kein Platz mehr war und die Stadtfestung das
Sicherheitsbedürfnis gegen moderne Angriffsszena-
rien ohnedies nicht mehr befriedigen kann.
Um in die Altstadt hoch auf dem Felsen zu gelan-
gen, muss man über Stufen hinaufsteigen und ein al-
tes Stadttor passieren, das ähnlich angelegt ist, wie
auch die Eingänge in die Wohnhäuser. Hier, wie
bei den Wohnhäusern kann man von außen nicht
durch den Torraum bzw. den Eingangsraum in das
Innere sehen. Da das Torbauwerk zugleich wieder
Abb. 269
Steinhochhäuser von Hadjara.
Fast alle Bauten sind mehr
oder weniger aufwendig be-
malt. Die Motive haben zum
Teil abwehrenden Charakter.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix