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SIEDLUNGSFORMEN
konnte leicht von wenigen Bewaffneten verteidigt
werden. Schahara war hierdurch fast uneinnehmbar.
Von hier gelangt man über Feldterrassen und zum Teil
über den blanken Felsen zu einer ersten Häusergrup-
pe von Schahara. Dann geht es nochmals hinab in
eine zweite tiefe Schlucht, über die eine steinerne Bo-
genbrücke aus dem 16. Jh. gespannt ist. Diese Brü-
cke ist zugleich das zweite Hindernis auf dem Weg
in die Kernzone der Stadt. Am Beginn der Brücke
versperrte früher eine Mauer mit einem zweiten Tor
den Weg. Schahara wurde im Lauf der Geschichte
oft seiner Wehrhaftigkeit wegen von Menschen auf
der Flucht aufgesucht.
Schon vor 1990 hatte man mit einer der wohl steils-
ten Straßen, die es auf unserem Globus gibt, eine
Straßenverbindung nach Schahara hinauf in den Fel-
sen gebrochen. Sie startet in Al Gabai am Fuße des
Berges auf einer Seehöhe von etwa 1200 m und
überwindet die 1400 Höhenmeter bis auf eine Höhe
von 2600 m im Zentrum der Stadt Schahara. Nur
wirklich gute Vierradfahrzeuge mit guten Fahrern, gu-
ter Bereifung, einem guten Motor und guten Bremsen
schaffen diese Steigung. Die Wracks in den Schluch-
ten tief unter der Straße an etlichen Stellen zeigen,
was passiert, wenn sich das Fahrzeug nicht mehr auf
der Straße halten kann, der Motor streikt oder die
Bremsen versagen. Die Fahrzeuge können nur bei
großem Geschick der Fahrer die Strecke bewältigen
und müssen sehr langsam unterwegs sein. Durch die
neue Erschließung wird der alte Weg nach Schahara
praktisch nicht mehr begangen.
Die Bauten der Stadt liegen zum großen Teil verstreut
über ein weites Gebiet. Zum Teil finden sie sich in
langen Zeilen auf den Bergkämmen, wo die Stein-
häuser den natürlichen Felsen so nach oben verlän-
gern, dass sie kaum als Bauten überhaupt erkenn-
bar werden. Die unterschiedlichen Zisternen in und
am Rande der Stadt erhalten ihr Wasser von den
Dächern der Häuser, von den öffentlichen befestig-
ten Flächen, von gesäuberten Plätzen und Wegen.
Hier wird Wasser für die wasserarme Jahreszeit ge-
speichert. Gewöhnlich wird es zuerst von den Be-
wohnern benutzt und erst danach auf die Felder zur
Bewässerung der Feldterrassen geleitet.
Al Qurazihah, Afrikanischer Kral im Jemen
Al Qurazihah war 1992 ein völlig afrikanisch aus-
sehender riesiger Kral, der westlich der Hauptstraße
von Al Ma’ras nach Al Hodeida einige Kilometer
nördlich der Einmündung der aus Haijah kommen-
den Gebirgsstraße lag. Der Kral war damals von
einem hohen Dornengestrüpp umgeben und relativ ausgedehnt. Die gesamte aride bis semiaride Ebene,
in der auch Al Qurazihah liegt, wird Tihama-Wüste
genannt und auch von den gleichnamigen Tihama
bewohnt. Die Vorfahren der in der Küstenwüste des
Jemen lebenden Afrikaner kamen schon früh über
das Rote Meer. Die Meerenge misst am Südende
des Roten Meeres weniger als 30 km und es gibt in
dieser Meerenge auch noch einige Inseln, die den
Weg über das Wasser noch erleichtern.
Daher gab es schon sehr früh an dieser Stelle enge
Beziehungen über das Rote Meer zwischen der Ara-
bischen Halbinsel und Afrika. Schon im frühen ersten
Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung lagen daher
große Teile des altsabäischen Reiches in Ostafrika.
Auch das spätere axumitische Reich mit Zentrum in
Axum in Nordäthiopien umfasste umgekehrt weite
Teile des Jemen.
Der Kral Al Qurazihah hatte vergleichsweise eine rela-
tiv große Siedlungsfläche und war an seinen Ecken mit
dem hohen Dornengestrüpp in seiner Großform zumin-
dest abgerundet. Innerhalb des Krals gab es nochmals
viele einzelne selbst wieder kreisförmige oder abge-
rundete eingefriedete Flächen, in denen die jeweili-
gen Familien ihre einzeln stehenden Wohnbauten und
Viehgehege hatten. Es gab mehrere Eingänge in den
Kral, die aber nur von Bewohnern und Besuchern der
Familienklans verwendet werden durften.
Ich war mit einem Sammeltaxi bis hierhergefahren, in
dem einer der Passagiere aus diesem Kral stammte.
Er studierte Englisch an der alten Universität von Za-
bid. Daher hatte ich mich schon während der Fahrt
im Taxi mit ihm unterhalten können. Ich stieg ebenfalls
hier aus und versuchte, unabhängig von dem Studen-
ten in den Kral zu gehen, wurde aber sogleich sehr
unfreundlich daran gehindert. Als ich den Studenten
im Kral sah, bat ich ihn um Hilfe. Er eilte zu mir und
stellte klar, dass ich sein Gast sei. Daraufhin wurde
der Weg freigegeben und ich wurde freundlich auf-
genommen.
Von außen konnte man nur die Spitzen der Bauten
in dem Kral über der Dornengestrüpp-Einfriedung se-
hen. Fast alle Bauten waren runde Lehmbauten, die
außen mit einem wärmeisolierenden Schilfmaterial
sowohl beim aufgehenden Mauerwerk wie auch
beim kegelförmigen Dach gegen die Hitze der Son-
ne geschützt wurden. Damit das Deckungsmaterial
vor allem im Dachbereich durch die immer wieder
recht heftigen Winde und Stürme in der Tihama nicht
davongetragen wird, haben alle Bauten über der
Deckung zusätzlich noch eine Art Mega-Haarnetz
übergestülpt.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix