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20 Einführung
den religiös homogenen, aber ethnisch-sprachlich heterogenen Regionen
am besten erforschen.4 Während die kirchliche Obrigkeit aus Angst vor
nationalkirchlichen Schismen sowie aus legalistischer Akzeptanz jeglicher
Autorität den Nationalismus ablehnte,5 griffen nationalistische Akteure und
Bewegungen unter den katholischen Völkern in der Tat auch auf die Religion
bzw. den kirchlichen Raum zurück. Die katholischen Völker sind zwar keine
»Konfessionsnationen« (die nationale und die religiöse Zugehörigkeit sind
bei ihnen nicht deckungsgleich).6 Die nationalistischen Ansprüche schafften
dennoch imaginierte Grenzen innerhalb des kirchlichen Raumes. In Gebie-
ten, in denen mehrere Völker nebeneinander zusammenlebten, waren diese
»Grenzen« freilich nicht geographisch, sondern nur als Ausgrenzungsimagi-
nationen vorhanden,7 nach deren Logik solche Räume als »nationaler Besitz«
nur einer »Nation« gehörten.8 Die Raumimaginationen wirkten sich auf die
eine katholische Kirche ebenso aus. Daher wurde um die Deutungshoheit
über den kirchlichen Raum, also um die Frage, zu welchem »nationalen
Raum« der kirchliche gehören sollte, gerungen.9
und Kroatien. Sakralisierung der Nation und Nationalisierung der Religion?, in:
Rainer Bendel (Hg.), Die ostmitteleuropäischen Nationalstaaten nach 1918. Trans-
formationen nach dem Zusammenbruch der Kaiserreiche, Münster 2019, S.
157–190,
hier S. 159ff.
4 Thies Schulze, Nationalism and the Catholic Church: Papal Politics and »Nation-
alist« Clergy in Border Regions (1918–1939), in: Isabella Löhr / Roland Wenzl-
huemer (Hg.), The Nation State and Beyond. Governing Globalization Processes
in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries, Heidelberg / New York 2013,
S. 235–256, hier S. 243.
5 Victor Conzemius, Kirchen und Nationalismen im Europa des 19.
Jahrhunderts und
20. Jahrhunderts, in: Albrecht Langner (Hg.), Katholizismus, nationaler Gedanke
und Europa seit 1800, Paderborn u. a. 1985, S. 11–50, hier S. 17.
6 Zum Konzept der »Konfessionsnation« siehe Emanuel Turczynski, Konfession und
Nation. Zur Frühgeschichte der rumänischen und serbischen Nationsbildung, Düs-
seldorf 1976.
7 Pieter Judson, Marking National Space on the Habsburg Austrian Borderlands
1880–1918, in: Omer Bartov / Eric Weitz (Hg.), Shatterzone of Empires. Coex-
istence and Violence in the East, Central, and Southeast European Borderlands,
Bloomington / Indianapolis 2013, S. 122–135, hier S. 123.
8 Die »Nationalitätenkämpfe« wurden um die Deutungshoheit über die gemischt
bewohnten Grenzregionen ausgefochten, weil die nationalen Narrative diese
Regionen als ihren »Besitz« betrachteten; dazu siehe: Pieter Judson, Guardians of
the Nation. Activists on the Language Frontier in Imperial Austria, Cambridge MA /
London 2006, S. 2; über die Kategorie des imagined territory (also des national-dis-
kursiv beanspruchten und imaginierten Raumes) siehe Peter Haslinger, Nation
und Territorium im tschechischen politischen Diskurs 1880–1938, München 2010,
S. 30ff.
9 In Bezug auf die ähnlich multiethnisch und monokonfessionell zusammengesetzte
Region des österreichischen Tirol siehe Florian Huber, Grenzkatholizismen. Reli-
gion, Raum und Nation in Tirol 1830–1848, Göttingen 2016, S. 42.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303