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29Thematische,
räumliche und zeitliche Einordnung
über die nationalen Katholizismen bereits sehr gut erforscht.31 Gottsmann
beleuchtet dabei die makropolitischen Wellen, welche durch die einzelnen,
lokalen Konflikte angestoßen wurden. Weil der »Nationalitätenkonflikt«
ein wichtiges Thema sowohl für die imperiale als auch die päpstliche Poli-
tik darstellte, wurden die lokalen Konflikte in dessen Kontext aufgefasst.
Gottsmann zeichnet diesen Kontext und die daraus entstandene öffentliche
Wahrnehmung der innerkatholischen Konfliktfälle – von lokalen Gewalt-
momenten bis hin zu den Querelen um kirchenorganisatorische Problem-
felder – aufgrund einer immensen Quellenarbeit minutiös und überzeugend
nach. Gottsmanns Monographie deckt die ganze Donaumonarchie ab. Seine
These der nationalen Spaltung kirchlicher Räume, die schon bei Moritz
Csáky in seiner bewusst im Plural gehaltenen Begrifflichkeit »Katholizis-
men« der Habsburgermonarchie anzutreffen ist,32 zeigt, dass das Narrativ der
»Nationalitätenkonflikte« sowohl die kirchliche Öffentlichkeit als auch die
politischen und diplomatischen Debatten über den kirchlichen Raum stark
bestimmte. Die Erkenntnisse von Gottsmann lassen sich jedenfalls von der
Perspektive von unten, die in dieser Arbeit angestrebt wird, in vieler Hinsicht
ergänzen und teilweise relativieren. Was für die »hohe Politik« ein weiteres
Beispiel des »Nationalitätenkonfliktes« bedeutete – was im oberadriatischen
Raum sogar als Zeichen der vermeintlich sinkenden Integrationskraft des
Katholizismus im Zeitalter des »nationalen Erwachens« gedeutet wurde –,
war auf der lokalen Ebene vom Zusammenwirken unterschiedlicher per-
sönlicher oder sozialer Interessen geprägt, die oft nicht politisch, geschweige
denn nationalpolitisch motiviert waren.
Wegen der lang anhaltenden Dominanz der nationalstaatlichen (und
nationalstaatlich organisierten) Historiographien in den posthabsburgi-
schen Staaten wurden die makropolitischen »Nationalitätenkonflikte« sehr
detailliert aufgearbeitet und erinnert.33 Diese Perspektive erklärt sich frei-
gen 2011, S. 337–358; Ksenija Petrovic, Nationale Identität und Religion in Serbien
und Kroatien im Vergleich, Wiesbaden 2013; Aleksandar Jakir / Marko Trogrlić
(Hg.), Klerus und Nation in Südosteuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, Frank-
furt a. M. 2014; Heiner Grunert, Glauben im Hinterland. Die Serbisch-Orthodo-
xen in der habsburgischen Herzegowina 1878–1918, Göttingen 2016; Theodora
Dragostinova / Yana Hashamova, Introduction. Beyond Mosque, Church, and
State. Alternative Narratives of the Nation in the Balkans, in: Dies. (Hg.), Beyond
Mosque, Church, and State. Alternative Narratives of the Nation in the Balkans,
Budapest / New York 2016, S. 1–27.
31 Andreas Gottsmann, Rom und die nationalen Katholizismen in der Donaumonar-
chie. Römischer Universalismus, habsburgische Reichspolitik und nationale Identi-
täten 1878–1914, Wien 2010.
32 Moritz Csáky, Paradigma Zentraleuropa. Pluralitäten, Religionen und kulturelle
Codes. Religion – Mythos – Nation. Einführende Überlegungen, in: Ders. / Zeyrin-
ger (Hg.), Pluralitäten, Religionen und kulturelle Codes, S. 9–17, hier S. 13.
33 Judson, Die Habsburgermonarchie – neue Interpretationen, S. 317.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303