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41Thematische,
räumliche und zeitliche Einordnung
Raum von solchen Einflüssen und Kulturen durchkreuzt:79 Eine Grenzre-
gion – mit ihrer kulturellen Innendynamik – kann keiner Nation eindeutig
zugeordnet werden.80 Neben der ethnischen Heterogenität (endogene Viel-
falt) wirkten sich exogene Faktoren wie die imperialen Zentren (Wien und
Budapest), andere Nationalstaaten (Italien, Serbien) sowie unterschiedliche
historische Erben, etwa die venezianische Vergangenheit Istriens raumbe-
stimmend aus. Darüber hinaus wurde die Region der innerhabsburgischen
und gesamteuropäischen »Kulturkämpfe« teilhaftig. Insofern spielte die
katholische Kirche als gleichzeitig exo- und endogener Faktor eine wichtige
Rolle vor Ort.
Nach der klassischen Imperiums-Definition bedeutet das Imperium
ein Herrschaftssystem, in dem die »Peripherien« von einem imperialen
Zentrum unterschiedlich gelenkt worden seien.81 Die Struktur und Funk-
tionsweise der Habsburgermonarchie lassen sich aber nicht nur mit die-
ser imperialen Radialität erklären. Jana Osterkamp führt das Konzept des
»kooperativen Imperiums« ein, mit dem sie die Ebene und die Chancen
kooperativer Binnenstrukturen beschreiben kann.82 Das Konzept betont die
Integration, die Gleichberechtigung und die Symmetrien unter den impe-
rialen »Peripherien«.83 Die Habsburgermonarchie lässt sich demnach als
Verflechtung mehrerer Zentren und Peripherien verstehen, in welcher sich
ein komplexes Mehrebenen-System jenseits der imperialen Zentren etab-
lieren konnte.84 In einer solchen Verflechtungsstruktur sind die Zentralität
und Peripherität einer Region kontextabhängig.85 Insofern bedeuteten die
Zentralität und Peripherität auch im ländlichen Hinterland des Küstenlan-
79 Gilbert Bosetti, Les limites de la pluriculturalité. Le cas de Trieste et de Rijeka /
Fiume sous les Habsbourg, in: Chroniques allemandes 11 (2006 / 2007), S. 203–217,
hier S. 203ff.
80 Peter Thaler, Fluid Identities in Central European Borderlands, in: European
History Quarterly 31 (2001), S. 519–548, hier S. 541.
81 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19.
Jahrhun-
derts, Bonn 2010, S. 614.
82 Jana Osterkamp, Cooperative Empires. Provincial Initiatives in Imperial Austria,
in: Austrian History Yearbook 47 (2016), S. 128–146, hier S. 128ff.; dies., Koopera-
tives Imperium. Eine neue Perspektive auf Anspruch und Wirklichkeit imperialer
Herrschaft, in: Dies. (Hg.), Kooperatives Imperium, S. 1–21, hier S. 1–13.
83 Dies., »Kooperatives Imperium«. Loyalitätsgefüge und Reich-Länder-Finanzaus-
gleich in der späten Habsburgermonarchie, in: Geschichte und Gesellschaft 42
(2016), S. 592–620, hier S. 593.
84 Dies., Föderale Schwebelage
– Die Habsburgermonarchie als politisches Mehrebene-
system, in: Gerold Amrosius u. a. (Hg.), Föderalismus in historisch vergleichender
Perspektive, Baden-Baden 2015, Bd. 2: Föderale Systeme. Kaiserreich – Donau-
monarchie – Europäische Union, S. 197–219, hier S. 214.
85 Endre Hárs u. a., Zentren peripher. Vorüberlegungen zu einer Denkfigur, in: Dies.
(Hg.), Zentren, Peripherien und kollektive Identitäten in Österreich-Ungarn, Tübin-
gen / Basel 2006, S. 1–15, hier S. 7.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303