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57Quellenlage
und Aufbau der Arbeit
der sog. altslawischen (glagolitischen) Liturgiesprache lesen und beten zu
dürfen, was in der untersuchten Periode ein eher nationalpolitisch bespieltes
Thema darstellte.
Den Hauptteil bilden die Kapitel 3 und 4. In diesen Kapiteln werden die
innerkatholischen Konfliktfälle aus der lokalen Ebene zuerst erzählt (Mik-
rogeschichte), dann in einem zweiten Schritt analysiert und kontextualisiert
(Makrogeschichte). Die Fälle in Kapitel 3 ereigneten sich in unterschied-
lichen Dörfern auf der istrianischen Halbinsel (Kapitel 3.1) bzw. in einem
Dorf unweit der Adriametropole Triest (Kapitel 3.2). In Istrien stellten die
Kirchgänger konkurrierende Ansprüche bezüglich des religiösen Raumes:
Besonders um die Frage der Liturgie- und Predigtsprache kamen Diffe-
renzen zwischen Katholiken unterschiedlicher Muttersprache zum Aus-
druck. In vielen untersuchten Fällen lagen den Handlungen jedoch andere
Motivationen zugrunde: Streit zwischen Priestern und Kirchgängern bzw.
unter Kirchgängern konnte wegen unterschiedlicher, oft persönlicher,
banaler Gründe wie etwa des Alkoholkonsums eines Priesters entstehen –
die dann dennoch als nationalpolitische Konflikte inszeniert und rezi-
piert werden konnten. In einem anderen Fall aus dem Dorf Ricmanje in
der Nähe von Triest (Kapitel 3.2), der mehr als zehn Jahre lang andauerte
und die Wiener bzw. die päpstliche Politik beschäftigte, stand die Spra-
chenfrage im Mittelpunkt, welche gerade an der sprachkulturellen Grenze
zum multiethnischen, aber »italienisch« dominierten Triest eine besondere
Brisanz gewann.
Nach dem österreichischen Teil kommen in Kapitel 4 Fälle aus dem
Ungarisch-Kroatischen Küstenland, die sich in unterschiedlichen Dörfern
in der Gespanschaft Lika-Krbava bzw. in einem Dorf unweit der ungari-
schen Hafenstadt Fiume / Rijeka ereigneten. In den kroatischsprachigen
und katholischen Dörfern, inmitten der kroatisch (katholisch) und serbisch
(orthodox) bewohnten Gespanschaft Lika-Krbava, lehnten die kroatisch-
sprachigen, katholischen Bauern die altslawische Liturgiesprache ab, nach-
dem der dortige kroatische Bischof sie eingeführt hatte (Kapitel 4.1). Um
den überraschenden, reaktiven Anspruch, keine altslawischen Gottesdienste
beten zu müssen, entstanden unterschiedliche Diskurse in den städtischen
Zeitungen, die die Widerstände im Kontext nationaler Indifferenz oder des
ungarisch-kroatischen bzw. kroatisch-serbischen »Nationalitätenkonfliktes«
uminterpretierten. In einem anderen Fall, in Drenova bei der ungarischen
Hafenstadt Fiume / Rijeka, leisteten kroatischsprachige Bauern Widerstand
im Interesse eines abgesetzten Priesters (Kapitel 4.2). In den beiden Kapi-
teln steht besonders die Frage im Mittelpunkt, warum die nationalisierenden
Tendenzen auf der lokalen Ebene auf keine Akzeptanz stießen, obwohl die
nationalistischen Akteure aus dem urbanen Raum der gleichen Nationalität
angehörten wie die Dorfbewohner.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303