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67Imperium
und Nation
mehr ethno-nationalistisch: Die ungarisch-magyarische Elite kehrte sich
von der Supranationalität ab.45
In den Sprachen der Nationalitäten drückte sich diese Entwicklung in der
Unterscheidung zwischen »ungarisch« und »magyarisch« aus.46 Diese Unter-
scheidung war etwa für die kroatische Öffentlichkeit von großer Relevanz:
Während unter Mađarska nur die ungarischsprachigen (magyarischen) Teile
der ungarischen Reichshälfte gemeint waren, stand Ugarska für das ganze
multiethnische Reich der ungarischen Krone.47 Auf Ungarisch wurde (und
wird) hingegen zwischen diesen Ebenen nicht unterschieden (beide Ebenen
heißen magyar), was eine Gleichstellung Ungarns (als Staat) mit der mag-
yarischen Nationalität impliziert. Ungarn konnte letztendlich diese Nati-
onsidee gegen die Nationalitäten nicht durchsetzen.48 Aber der Horizont
der »Nationalitätenkonflikte« blieb in Ungarn stets anders als in Österreich.
Die Nationalitäten stellten den gesamtimperialen Rahmen nicht infrage, sie
wollten sich von der ungarischen Hegemonie loslösen. Dieses Ziel lässt sich
auch in der nationalistischen Öffentlichkeit in Kroatien beobachten: Loslö-
sung von Ungarn, aber weiterer Verbleib in der Habsburgermonarchie waren
die Hauptforderungen.49
Kroatien stellte einen speziellen Fall innerhalb der ungarischen Reichs-
hälfte dar. Weil einige Fallbeispiele aus dem Ungarisch-Kroatischen Küs-
tenland, das teilweise zu Kroatien gehörte, stammen (vgl. Kapitel 4.1), ist es
angebracht, die Situation Kroatiens kurz anzusprechen. Kroatien bildete nach
1102 mit Ungarn eine Personalunion:50 Die jeweiligen ungarischen Könige
waren, ohne dafür gesondert gekrönt werden zu müssen, auch kroatische
Könige. Nach der Neustrukturierung der innerimperialen Verhältnisse der
Habsburgermonarchie (1867) wurden die zwei Kronländer Kroatien (auch
Banus-Kroatien oder Zivil-Kroatien genannt) bzw. Slawonien weiterhin
unter ungarische Hegemonie gestellt. Kroatien war insofern auch nach 1867
Teil der ungarischen Reichshälfte, sein Status war aber umstritten. Ungarn
45 Gammerl, Untertanen, Staatsbürger und andere, S. 143.
46 Robert J. W. Evans, Language and State Building. The Case of the Habsburg
Monarchy, in: Austrian History Yearbook 35 (2004), S. 1–24, hier S. 10f.
47 Dénes Sokcsevits [Dinko Šokčević], Magyar múlt horvát szemmel [Ungarische
Vergangenheit mit kroatischen Augen], Budapest 2004, S. 69.
48 Solomon Wank, Some Reflections on the Habsburg Empire and Its Legacy in the
Nationalities Question, in: Austrian History Yearbook 28 (1997), S. 142.
49 Vgl. Jure Krišto, Prešućena povijest. Katolička Crkva u hrvatskoj politici 1850.–
1918. [Verschwiegene Geschichte. Katholische Kirche in der kroatischen Politik,
1850–1918], Zagreb 1994, S. 83; Fernando Veliz, The Politics of Croatia-Slavonia
1903–1918. Nationalism, State Allegiance and the Changing International Order,
Wiesbaden 2012, S. 67.
50 Zu den Anfängen der ungarisch-kroatischen Personalunion siehe u. a. Dinko
Šokčević [Dénes Sokcsevits], Hrvatska od stoljeća 7. do danas [Kroatien vom
7. Jahrhundert bis heute], Zagreb 2016, S. 60–120.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303