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69Imperium
und Nation
zusammen, dass historische Staatsrechte und moderne Nationskonzepte den
kroatischen, nationalen Diskurs gleichzeitig bestimmten.56
Das Verhältnis zwischen Ungarn und Kroatien-Slawonien war nicht nur
staats- und nationspolitisch, sondern auch kirchenpolitisch angespannt.
Während das multikonfessionelle Ungarn in vielen Hinsichten eine säkulare
Politik verfolgte, verstand die kroatische Elite den Katholizismus als natio-
nale Identität, welche gegen die als »Magyarisierung« empfundenen, säkula-
ren Tendenzen zu bewahren sei. Der Ausgleich zwischen Wien und Budapest
lieferte das katholische Leben den ungarischen Nationalisierungszielen in
der Tat aus.57 Kroatien nahm daher den Katholizismus gegen das »liberale
Ungarn« in Anspruch.58 Die Säkularisierung galt in Kroatien-Slawonien
schlechthin als »Magyarisierung«, weil die dadurch vermeintlich eintretende
Schwächung der katholischen Kirche auch die Schwächung des kroatischen
Nationalismus – nach der Auffassung der national-klerikalen Kreise –
bedeutet hätte.59 In dieser Hinsicht verschränkten sich die antiungarischen
Meinungen zu einem antiliberalen Hass.60
Beispielhaft war dafür, wie die kroatischen Eliten auf die Zivilehe reagier-
ten, die in Ungarn 1894 eingeführt worden war.61 Die nationalistischen
Kreise Kroatiens nahmen es als eine gleichzeitig antikroatische und antika-
56 Zur Bedeutung des kroatischen Staatsrechtes siehe Wolfgang Kessler, Vom Recht
der Stände zum »kroatischen Staatsrecht«. Zum historischen Recht in der politischen
Kultur des 19. Jahrhunderts in Kroatien, in: Dietmar Willoweit / Hans Lemberg
(Hg.), Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Historische Beziehungen und poli-
tische Herrschaftslegitimation, München 2006, S. 379–403.
57 Ĺuboslav Hromják, Il ruolo del clero cattolico nella nazione slovacca dalle origini
fino alla prima metà del Novecento [Die Rolle des katholischen Klerus in der slowa-
kischen Nation von den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts], in: Aleksan-
dar Jakir / Marko Trogrlić (Hg.), Klerus und Nation in Südosteuropa vom 19. bis
zum 21. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2014, S. 15–48, hier S. 44.
58 Die Auffassung, dass der Katholizismus die kroatische Identität ausmache, wird
auch in der heutigen kroatischen Historiographie vertreten, vgl. Ivo Banac, Hrvati i
Crkva. Kratka povijest hrvatskog katoličanstva u modernosti [Kroaten und die Kir-
che. Kurze Geschichte des kroatischen Katholizismus in der Modernität], Zagreb
2013, S. 10; kritisch dazu siehe Techet, Nationalismus und Katholizismus, S. 182ff.
59 Mario Strecha, »Sve za vjeru i domovinu«. Idejna strujanja u katolicizmu u banskoj
Hrvatskoj potkraj XIX. stoljeća [»Alles für den Glauben und die Heimat«. Ideologi-
sche Strömungen im Katholizismus im Banus-Kroatien Ende des 19. Jahrhunderts],
in: Croatica Christiana Periodica 38 (1996), S. 73–132, hier S. 90.
60 Marija Vulesica, Die Formierung des politischen Antisemitismus in den Kronlän-
dern Kroatien und Slawonien 1879–1906, Berlin 2012, S. 186, 316.
61 Zur Debatte um die Zivilehe siehe Moritz Csáky, Der Kulturkampf in Ungarn. Die
kirchenpolitische Gesetzgebung der Jahre 1894 / 1895, Graz u. a. 1967; sowie Péter
Techet, Verzahnung kirchen- und nationalpolitischer Frontlinien in Fiume / Rijeka.
»Liberale« Ungarn und Italiener zur Zeit des ungarischen »Kulturkampfes«
(1894 / 1895), in: Bachinger u. a. (Hg.), Österreich-Ungarns imperiale Herausforde-
rungen, S. 302ff.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303