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108 Österreichisches Küstenland
Kirchgänger gegen ihn, aber sobald sich die kirchliche Obrigkeit in diesen
Mikrokosmos einmischte, war den Kirchgängern wichtiger, diesen obrigkeit-
lichen Eingriff abzulehnen, als ihren problematischen Pfarrer loszuwerden.
Als später ein Konkurs für die Pfarrerwahl ausgeschrieben wurde, bewarb
sich Don Ptašinski,89 der die Menschen auf Versammlungen für sich – und
indirekt gegen die kirchliche Obrigkeit
– mobilisierte.90 Don Ptašinski konnte
sich jedoch nicht durchsetzen, er musste in Montreo / Muntrilj bleiben, wo
er seine ethnographischen Forschungen91 fortsetzte sowie sich weiter dem
politischen Ziel der südslawischen Emanzipation widmete. Er engagierte sich
etwa für den kroatisch- und slowenischsprachigen Journalismus in Istrien.92
Nach dem Ersten Weltkrieg ging er in die Vereinigten Staaten, wo er in Cle-
veland als Pfarrer einer kroatischsprachigen Gemeinde tätig war.93
Die südslawisch-nationale Einstellung von Priestern führte auch in ande-
ren Ortschaften in Istrien zu Unstimmigkeiten. In der nordistrianischen
Ortschaft Sdregna / Zrenj erlaubte etwa Don Vranjac ab 1898 kroatische und
slowenische Predigten. Das Dorf hatte eine größere slowenischsprachige
Minderheit: Von den 915 Einwohnern gaben 242 Menschen im Jahre 1900
das Slowenische als ihre Umgangssprache an.94 Neben der Liturgiesprache
entstand auch hier besonders um den Religionsunterricht ein Konflikt. Don
Vranjac weigerte sich, in der privaten Schule des italienischsprachigen, in
vieler Hinsicht antiklerikalen Privatvereins »Lega Nazionale« katholischen
Religionsunterricht auf Italienisch zu erteilen. Er stellte stattdessen das
Pfarrhaus für eine slowenischsprachige Privatschule zur Verfügung. Einige
Kirchgänger blieben daraufhin aus Protest von den Gottesdiensten fern, weil
sie die »politische Agitation« des Priesters, welche er besonders während der
Wahlkämpfe betrieben habe, ablehnten.95 Don Vranjac stand mit dem itali-
enischsprachigen Teil der Pfarrgemeinde auf Kriegsfuß, er klagte mehrere
Menschen von ihnen sogar wegen Religionsstörung bzw. Ehrenbeleidigung
an. Die Bezirkshauptmannschaft warf ihm dabei vor, gerade »Personen, die
zu den angesehensten im Ort gehören«, beleidigt oder strafrechtlich ange-
89 Bericht des Bischofs (23. August 1899), in: Ebd., 172 – D1.
90 Bericht des Landes-Gendarmarie-Commando in San Giovanni / Sv. Ivan (17. Okto-
ber 1899), in: Ebd., 172 – D1.
91 Josip Milićević, Etnografski rad Josipa Ptašinskog [Etnographische Arbeit von Josip
Ptašinski], in: Istarska danica 1992, S. 92f.
92 Naša Sloga, 5. Oktober 1899.
93 Zu seinem Leben siehe Luka Šešo, Ptašinski, Josip, in: Istarska Enciklopedija [Istria-
nische Enzyklopädie], URL: <http://istra.lzmk.hr/clanak.aspx?id=2257> (15.10.2019).
94 Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und
Länder, S. 76.
95 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Parenzo / Poreč (7. August 1898), in: DAP,
Kapetanat Poreč, kut. 63, fasc. D1, 7970 – 98 – D1.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303