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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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111Konflikte um die Nationalisierung waren 40 Menschen slowenischer und 70 Menschen kroatischer Umgangs- sprache. In der Ortschaft gab es elf Menschen, die das Slowenische angaben, die weiteren 1.561 Einwohner benutzten das Italienische.108 Der Konflikt war aber angeblich nicht nur von Tendenzen wie sozialer Emanzipation oder einem nationalpolitisch inszenierten »Stadt«-»Land«- Kampf bestimmt. Das örtlich zuständige Landes-Gendarmarie-Commando meinte angesichts der ständigen Angriffe und Beleidigungen gegen Don Ragusin, dass »[n]icht nur die Nationalität der Grund dieser Ausschreitun- gen« gewesen sei.109 Der Bericht vermutete eher  – wie es in San Giovanni di Sterna / Sv. Ivan od Šterne oder Sdregna / Zrenj bereits der Fall war  – per- sönliche Querelen im Hintergrund: Einige Bewohner hätten bei dem Pfarrer Schulden gehabt, die sie ihm nicht zurückzahlen wollten.110 Viele Kirchgän- ger hatten also sehr profane Motive für einen Konflikt mit dem Pfarrer, aber solche finanziellen Interessen ließen sich im nationalpolitischen Kontext öffentlichkeitswirksamer vortragen. Das Bistum erkannte das Problem, und es wurde ein Konkurs für einen neuen Pfarrer ausgeschrieben. Dabei bewarben sich mehrere Personen um den Posten. Obwohl Don Ragusin als Kirchenadministrator seine Kandida- tur zurückgezogen hatte, lehnte der Stadtmagistrat, dem ein Mitspracherecht zugesichert war, alle Kandidaten ab, die angeblich kroatischer Abstammung waren.111 1902 wurde letztendlich Don Vittorio Vasselli, ein italienischspra- chiger Priester, zum Pfarrer ernannt. Er entsprach den Vorstellungen des nationalliberalen Stadtmagistrates, weil er die kroatischen Predigten und die Gottesdienste in den Dörfern abschaffte. Die Bauern, die sich an die Situ- ation unter Don Ragusin (kroatische Predigt, Gottesdienst auf dem Land) gewöhnt hatten, griffen den neuen Pfarrer an: Nach einem Gottesdienst sei Don Vasselli laut einem Bericht des nationalliberalen Bürgermeisters von Bauern vor der Kirche sogar verletzt worden (der konkrete Vorgang wurde aber nicht geschildert).112 Wie den bisher geschilderten Fällen zu entnehmen ist, bestimmten nati- onale Zuschreibungen die wahrgenommenen Positionen und Rollen in den Konflikten. Nationale Markierungen ermöglichten eine schematische Erzählung. Die gleiche Person konnte allerdings dabei unterschiedlichen »nationalen« »Gruppen« zugeordnet werden, damit er im Narrativ des »Nati- 108 Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Län- der, S.  74. 109 Bericht des Landes-Gendarmarie-Commando von Buie / Buje (12.  August 1899), in: DAP, Kapetanat Poreč, Op.Sp., kut.  63, fasc.  D1, 5817  – 99  – D1. 110 Ebd. 111 Protestbrief des Bürgermeisters (podestà) (29.  Mai 1902), in: Ebd., kut.  81, fasc.  D1, 3863  – 02  – D1. 112 Bericht des Bürgermeisters (podestà) (21.  August 1902), in: Ebd., 9718  – 02  – D1.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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