Seite - 118 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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118 Österreichisches Küstenland
als kirchenfeindliche, von der »unmoralischen« städtischen Kultur »ver-
seuchte« Menschen.137 Diese Tendenz ging bis auf das revolutionäre Jahr von
1848 sowie die österreichischen Kulturkämpfe der 1860er und 1870er Jahre
zurück, als südslawische Klerikale und Kirchgänger auf der Seite des Kle-
rikalismus standen.138 Damals verfestigte sich das Bild, dass die »Italiener«
antiklerikal und die »Südslawen« klerikal seien (und zu sein hätten).
Besonders unter den jungen, slawischen (nicht nur kroatischsprachigen,
sondern zum Beispiel aus Böhmen und Mähren stammenden) Priestern war
die Idee verbreitet, die südslawische (soziale, sprachliche) Emanzipation in
Istrien mit den Mitteln, die einem Geistlichen zur Verfügung standen, vor-
anzutreiben. Sie wollten die Herrschaft der italienischsprachigen, nationalli-
beralen Elite durch die Stärkung der Schicht des bäuerlichen, ländlichen Süd-
slawentums herausfordern. In anderen Gebieten der Habsburgermonarchie
war ebenso zu beobachten, wie sich die katholische Kirche mit ländlichen
Katholiken gegen die liberale Elite, die einer anderen Nationalität angehörte,
verbündete.139 Auch Wien war daran interessiert – im Gegensatz zu Buda-
pest –, die Präsenz der katholischen Südslawen auf Kosten des italienisch-
sprachigen, säkularen Nationalliberalismus zu stärken.140 Als beispielweise
nach einem Nachfolger des deutschösterreichischen Franz Xaver Nagl 1910
für den Bischofssitz in Triest gesucht wurde, betonte die Triestiner Statthal-
terei explizit – obwohl das mehrheitlich italienischsprachige Bistum nach
1831 (bis auf Nagl) nur südslawische Bischöfe hatte141 –, dass »wir die Wahl
eines Slowenen für den Bischofssitz der eines Italieners aus Rücksicht für das
slowenische Interesse vorzuziehen meinen.«142 Wien unterstützte dabei aber
nicht den einen Nationalismus gegen den anderen, sondern es hoffte auf die
staatsintegrative Kraft des südslawischen Katholizismus (oder umgekehrt:
eines katholischen Südslawentums).
137 Pietro Zovatto, Stampa cattolica slovena ed italiana [Slowenische und italienische
katholische Presse], Trieste 1987, S. 16.
138 Cattaruzza, I conflitti nazionali a Trieste, S. 139f.
139 Zum Südkärnten siehe etwa Andreas Moritsch / Gerhard Baumgartner, The
Process of National Differentiation within Rural Communities in Southern Carin-
thia and Southern Burgenland 1850–1940, in: Ellen Wiegandt u. a. (Hg.), Roots of
Rural Ethnic Mobilisation. Comparative Studies on Governments and Non-Domi-
nant Ethnic Groups in Europe. 1850–1940, Vol. VII, New York 1992, S. 99–143,
hier S. 117f.
140 Robin Okey, Austrian-Hungarian Diplomacy and the Campaign for a Slavonic
Liturgy in the Catholic Church. 1881–1914, in: The Slavonic and East European
Review 70 (1992), S. 258–283, hier S. 278.
141 Zovatto, Cattolicesimo a Trieste, S. 9.
142 Brief des Statthalters an den österreichischen Cultus- und Unterrichtsminister
(23.
Juni 1910), in: AST, Luogotenenza, AP ris., b.
6, fasc.
34, 1910/14 [Hervorhebung
von mir].
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303