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123Konflikte
um die Nationalisierung
Raum.155 Wenn die Religion für nationale Absonderung mobilisiert wird,
wird die Beseitigung der bestehenden, tradierten Pluralitäten wie der sprach-
lichen Vielfalt angestrebt.156
Die kirchliche Obrigkeit verpflichtete sich allerdings weiterhin der Idee
der katholischen Supranationalität. Insofern lehnten die Bischöfe im Öster-
reichischen Küstenland, egal ob sie in Triest, Pola / Pula oder Veglia / Krk
saßen, wie auch egal ob sie italienischer, kroatischer, slowenischer oder
deut scher Abstammung waren, die nationalistischen Tendenzen außerhalb
und innerhalb der katholischen Kirche dezidiert ab. Sie empfanden jegliche
nationalistische Tendenzen als Schwächung der kirchlichen Position in der
Öffentlichkeit. In den bischöflichen Korrespondenzen lässt sich diese Sorge
nachlesen, auch wenn die einzelnen Bischöfe bei der Frage, wer für die auf-
gewühlten nationalen Gefühle vor Ort verantwortlich sei, unterschiedliche
Akzente setzten und unterschiedliche Erklärungen lieferten.
Dieser Unterschied ließ sich nicht mit einer nationalpolitischen Vorein-
genommenheit, sprich: der ethnisch-nationalen Zugehörigkeit der jewei-
ligen Bischöfe, erklären, sondern vielmehr mit ihren kirchenpolitischen
Intentionen. Der eine war politischer, ultramontaner, klerikaler eingestellt,
der andere begnügte sich hingegen vielmehr mit der rein pastoralen Arbeit.
Der eine ließ mehr abweichende Partikularität auf der lokalen Ebene etwa
in der Liturgie zu, der andere wollte das Kirchenleben von oben her verein-
heitlichen. Ihr Ziel bestand aber darin, die Kirche als internationalen Raum
und als Verbündete des österreichischen Staatsgedankens bewahren zu kön-
nen. In diesem Sinne hielt es der slowenischsprachige Bischof von Triest,
Ivan Nepomuk Glavina, für unabdingbar, dass die Priester die Sprachen
der örtlichen Völker zu erlernen haben. Deswegen wies er 1891 den Pfar-
rer des nordistrianischen Carcauzze / Krkavče, Don Jakob Ladavac, darauf
hin
– nachdem Don Ladavac den kroatischen Gesang in der Kirche des zwar
mehrheitlich slowenischsprachigen, aber von italienischsprachigen Men-
schen ebenso bewohnten Dorfes157 eingeführt hatte –, »daß nicht das Volk
des Priesters wegen, sondern der Priester des Volkes wegen da ist, und daß
daher dem Seelsorger die Gewissenspflicht obliegt, die Sprache des Volkes
zu erlernen.«158
155 Trogrlić, Katolička crkva u Istri, S.
217; Wiggermann, K. u. K. Kriegsmarine und
Politik, S. 144.
156 Chris Hann, The Limits of Galician Syncretism. Pluralism, Multiculturalism, and
the Two Catholicisms, in: Ders. / Magocsi (Hg.), Galicia, S. 210–237, hier S. 213.
157 Im Jahre 1900 lebten im Dorf 518 slowenischsprachige und 85 italienischsprachige
Menschen; Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen König-
reiche und Länder, S. 54.
158 Glavinas Brief an Don Ladavac (17. August 1891), beigefügt als Beilage zum Bericht
von Glavina an die Triestiner Statthalterei (17.
August 1891), in: AST, Luogotenenza,
AP, b. 147, fasc. 4.1.5., 1891/1647.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303