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132 Österreichisches Küstenland
österreichischen Makroperspektive sogar als »ausländischer Bischof« galt.187
Den Dorfbewohnern in Ricmanje wird er aber – wegen der geographischen,
geistigen und sprachlichen Nähe – keinesfalls »ausländisch« vorgekommen
sein. Die Dörfer unterwarfen sich einseitig der Jurisdiktion dieses griechisch-
katholischen (unierten) Bistums.
Dem Schreiben war eine Liste mit den unterstützenden Bewohnern bei-
gefügt. Die Unterschriften wurden nach Familien gezählt: 132 Familien aus
Ricmanje und 29 aus Log. Insgesamt waren das somit 524 Menschen aus Ric-
manje und 131 aus Log. Darunter gab es viele Kinder, einige waren zur Zeit
des »Unterstützens« nur wenige Monate alt.188 Don Požar, der Kaplan von
Ricmanje, kam weder im Schreiben noch in der Liste vor. Er wurde nicht
einmal erwähnt. Das Bistum nahm den Übertritt – wie es in einer Notiz
zum Brief anmerkte – als traurige Konsequenz »d[er] brennende[n] Frage
betreffend die Theilung der Pfarre Dolina« wahr, welche »einer ehebaldigen
Erledigung« bedürfe.189 Gemäß den Gesetzen gehörten die Austritt- sowie
Übertrittangelegenheiten zur Kompetenz weltlicher Behörden, und daher
meldeten die Dorfbewohner ihren Aus- und Übertritt bei der vor Ort zustän-
digen Bezirkshauptmannschaft von Capodistria / Koper an.190 In ihrem
Brief an die Triestiner Statthalterei fasste die Bezirkshauptmannschaft die
Ereignisse zusammen und schob die Verantwortung dem Kaplan Don Požar
zu: Er habe »die Abneigung der in religiösen Dingen ohnehin indifferenten
Bevölkerung jener Gegenden gegen den Pfarrer von Dolina« ausgenutzt und
mobilisiert.191
Als Beweis für die Agitation von Don Požar erzählte das Landes-Gendar-
marie-Commando von Capodistria / Koper die Geschichte eines gewissen
Ivan Valentič, der aus der römisch-katholischen Kirche austreten wollte und
daher den Kaplan von Ricmanje besuchte. Don Požar habe ihm daraufhin
ein vorgefertigtes Schreiben zum Unterschreiben vorgelegt, wonach er aus
zági görögkatolikusok története. II. Rész [Die Geschichte der Griechisch-Katholi-
ken in Ungarn, Bd. 2], Nyíregyháza 1990, S. 14–23.
187 Bischof Drohobeczky protestierte dagegen, Brief von Bischof Drohobeczky an das
österreichische Kultusministerium (29. Dezember 1900), in: AST, Luogotenenza,
AP, b. 265, fasc. 4.1.5., 1900/3427.
188 Als im Frühjahr 1901 die slowenischsprachigen Katholiken in der Pfarrgemeinde
des Triestiner Vorortes Roiano / Rojan gegen den dortigen italienischsprachigen
Pfarrer, Giuseppe Iurizza, einen Brief verfassten, bemerkte die italienischspra-
chige, katholische Zeitung La Ricreazione bissig, dass viele der »Unterschreiben-
den« eigentlich Analphabeten oder Kinder gewesen seien; vgl. La Ricreazione,
1. Mai 1901.
189 Notiz des Bistums zum Brief aus Ricmanje (8.
August 1900), in: ADT, GO, 1900/2139.
190 Abschrift der Anmeldung aus Ricmanje (2.
August 1900), in: AST, C.d. Capodistria,
Culto, b. 170, fol. 204.
191 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Capodistria / Koper an die Statthalterei
von Triest (23. August 1900), in: Ebd., fol. 493f. [Hervorhebung von mir].
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303