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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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135Kirchenstreit im ländlichen Hinterland Die Dorfbewohner von Ricmanje ersuchten Bischof  Julij Drohobeczky bereits im  Mai 1900  –noch vor der offiziellen Ankündigung des Übertrittes  – mit der Bitte, die Kirchengemeinde in seine Jurisdiktion zu übernehmen und ihnen einen griechisch-katholischen Priester zu schicken.199 Bischof Droho- beczky hatte zwar einen typisch multiethnischen Lebenslauf,200 aber er sym- pathisierte auch mit dem Gedanken, das sprachliche und nationale »Erwa- chen« der Kroaten und Slowenen kirchlich zu unterstützen. Beim ersten Ansuchen im  Mai 1900 versuchte Bischof Drohobeczky zunächst, die Sache mit der Hoffnung hinzuzögern, dass sich die Menschen in Ricmanje und Log beruhigen würden  – was aber nicht eintrat: »unserem Bemühen zum Trotze ließ sich das Volk nicht von seinem Vorhaben abzuleiten [sic!]«.201 Warum kam er der Bitte aus den Dörfern nach? Bischof Drohobeczky erwähnte die schleichende Gefahr der Orthodoxisierung slowenischsprachi- ger Bewohner von Triest und der Umgebung. Tatsächlich liebäugelten natio- nalistische, slowenischsprachige Kreise mit der Idee, in die serbische Ortho- doxie überzutreten, weil ihnen diese Kirche nationaler vorkam als der betont supranationale Katholizismus.202 Ein slowenischsprachiger Agitator der Orthodoxisierung, ein gewisser Ivan Jajčič  – der aus der Stadt Triest schon zuvor ausgewiesen worden war  –, wurde tatsächlich in Ricmanje gesich- tet.203 Drohobeczky erklärte es daher zur »Pflicht« seines Bistums, »unsere Maueren zu befestigen und Thürme auf den exponierten Posten aufzustellen und namentlich das slowenische Element zu bewahren dem die Gefahr [der Orthodoxisierung] am meisten droht«. Drohobeczky rechtfertigte seine Ent- scheidung, die Kirchengemeinden von Ricmanje und Log zu übernehmen, mit dem Ziel, »die Einwohner aus Ricmanje und Log aus den Garnen dieser 199 Vgl. den Brief von Msgr. Drohobeczky an das österreichische Kultusministerium über die Vorgeschichte der Übernahme (29.  Dezember 1900), in: AST, Luogo- tenenza, AP, b.  265, fasc.  4.1.5, 1900/3427. 200 Msgr. Drohobeczky wurde in einer ruthenischsprachigen Familie im ostungari- schen ungarisch-, rumänisch-, ukrainisch- und jiddischsprachigen Dorf Karác- sonyfalva geboren; seit 1891 war er griechisch-katholischer (unierter) Bischof im kroatischen Križevci. Zu seinem Lebensweg siehe Ivan Pekilić, Život i djelo križevačkoga biskupa  Julija Drohobeckog [Das Leben und das Werk des Bischofs von Križevci,  Julij Drohobeczky], in: Podravina 3 (2004), S.  71–88, hier S.  71f. 201 Brief von Bischof Drohobeczky an das österreichische Kultusministerium (29.  Dezember 1900), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  265, fasc.  4.1.5., 1900/3427. 202 Über einige slowenischsprachige Familien in Triest, die wegen der italienisch- sprachigen Predigten in ihren katholischen Kirchen in die (serbische oder russi- sche) Orthodoxie übertreten würden, siehe Bericht der Triestiner Statthalterei (25.  November 1893), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  161, fasc.  4.1.5, 1893/2047; sowie Bericht der Statthalterei (20.  April 1894), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  169, fasc.  4.1.5, 1894/165. 203 Brief des Landes-Gendarmerie-Commandos von Boljunec an die Bezirkshaupt- mannschaft von Capodistria / Koper (6.  Mai 1901), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  137, fasc.  4.1.5, 1901/1001.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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