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141Kirchenstreit
im ländlichen Hinterland
zwar von der Zeitung eine Richtigstellung, als ob die zwei Bischöfe so eine
Vereinbarung nicht getroffen hätten,235 aber seine Politik entsprach in der
Tat einer klerikalen Linie, welche nationale oder andere Abweichungen nicht
mehr zu erdulden willens war. Im Naša Sloga meinte Bischof Nagl, dass er
»als katholischer Bischof innerhalb und außerhalb der Kirche Frieden« wol-
le.236 Frieden bedeutete für ihn die Beseitigung der lokalen Partikularismen
und der normabweichenden Situationen, auch wenn sie bisher schweigsam
toleriert wurden.
Er akzeptierte dementsprechend den Übertritt von Ricmanje und Log in
die griechisch-katholische Kirche nicht. Im
November 1902 verbot er außer-
dem jegliche Verwendung altslawischer oder slowenischsprachiger Messen.
Er wollte die Dörfer nicht nur in die römisch-katholische Kirche, sondern
auch in die normgemäße Praxis der Latinität zurückzwingen. Konsequen-
terweise enthob Bischof Nagl im Dezember 1902 Don Požar seiner Kaplan-
stelle in Ricmanje.237 Damit fing der Konflikt an. Eine Karikatur der slo-
wenischsprachigen Satirezeitschrift aus Triest, Škrat, machte sich über den
Namen des Bischofs lustig: In den Stein von Ricmanje werde der »Deutsche«
den neuen Nagel (also Dr. Nagl) doch nicht einschlagen können – Ricmanje
erweise sich härter (siehe Abbildung 5).
Der neue Kaplan in Ricmanje wurde Jožef Krančič, bis dahin Kaplan in
Vatovlje, einem kleinen Dorf nahe der istrianisch-krainischen Grenze. Don
Požar hätte schon vor dem Jahresende 1902 dem neuen Kaplan die Kirche
und die Kaplanwohnung in Ricmanje übergeben sollen, aber er kooperierte
weder mit der Pfarrei von Dolina noch mit dem neuen Kaplan Don Krančič.238
Auch der Dorfvorsteher Ivan Berdon wollte die Übergabe vereiteln.239 Don
Požar wurde im Januar 1903 wegen seines Widerstandes sogar vom Pries-
tertum suspendiert. In seinen späteren Briefen an Papst Pius X prangerte er
Bischof Nagl mit kritischen Worten an: Der Bischof sei »ein Mensch ohne
Gewissen und ohne Herz« gewesen, und »ein Mensch, der ständig bereit ist,
zu lügen«.240 Er meinte, dass er unter der Jurisdiktion des griechisch-katho-
lischen Bistums von Križevci stehe und insofern Entscheidungen aus Triest
235 Ebd., 25. Dezember 1902 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
236 Ebd., 25. Dezember 1902.
237 Absetzungsurkunde (7. Dezember 1902), in: ADT, GO, 1902/4275.
238 Protokoll über den ersten misslungenen Versuch, die Kirche und die Wohnung in
Ricmanje zu übernehmen (29. Dezember 1902), in: ADT, GO, 1902/4275.
239 Kopie des Briefes der Triestiner Statthalterei an die Bezirkshauptmannschaft von
Capodistria / Koper darüber, dass der Schlüssel vom Dorfvorsteher Ivan Berdon
evtl. auch mit Zwang weggenommen werden darf (30. Januar 1903), in: Ebd.,
1903/395.
240 Brief von Dr. Požar an den Papst Pius X. (2. August 1907), in: ŽAR, Kosmač, fasc. 4
[keine weitere Nummerierung] [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303