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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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146 Österreichisches Küstenland chen aus seinem Bistum nach Ricmanje schicken zu können.260 Er erkannte, dass die Übernahme der Kirchengemeinde das interkonfessionelle Verhält- nis zwischen Katholizismus und Orthodoxie belasten bzw. den Interessen von Wien entgegenlaufen würde. Im Frühjahr 1903 meldeten daraufhin mehrere Dorfbewohner aus Ric- manje und Log ihre Austritte aus der römisch-katholischen Kirche wieder an. Fast alle rechtfertigten diesmal ihren Schritt mit dem Wunsch, Gottes- dienste in der eigenen Muttersprache hören zu wollen. Die Sprachenfrage übertönte immer mehr den Konflikt. Wie etwa die Dorfbewohnerin Marija Žuljan sagte: »Ich will den eigenen Gott in der eigenen Sprache anbeten«.261 Jože Dariž drückte sich auf die Frage, warum er übertreten will, einfacher aus: »Ich will meine Muttersprache«.262 Außer der verwendeten Sprache erkannten die Dorfbewohner aber weiterhin keinen Unterschied zwischen den Riten des Katholizismus bzw. zwischen dem Katholizismus und der Orthodoxie, weil der Gott  – wie etwa Uršula Pregarc aus Ricmanje betonte  – »der selbe« sei: »Wir sind dieselben, die wir zuvor waren; wir glauben an den selben Gott, an den wir davor geglaubt hatten. Lateinisch können wir nicht, wir wollen slowenische Messe.«263 Die Ablehnung gegenüber der institutionalisierten Kirche zeigte sich etwa darin, dass ab  März 1903 Begräbnisse ohne priesterliche Assistenz stattfan- den (siehe Abbildung  6). Die Menschen riefen Don Krančič, den neuen Kap- lan, weder zu den Taufen noch den Begräbnissen, die daher »zivil« erledigt wurden. Ähnliche Fälle traten in einem anderen Kirchenstreit zwischen 1908 und 1910 in Drenova auf der ungarischen Seite (Kapitel  4.2) auf. Das Landes- Gendarmarie-Commando beschrieb ein solches Begräbnis am 25.  März 1903 ziemlich detailliert: An der Spitze des Leichenzuges marschierten ein alter Mann und ein Junge mit je einem großen Holzkreuz, ihnen folgten die Gäste aus der ganzen Gegend (ca. 1600 Menschen) und eine slowenische Musikka- pelle. Beim Grab hielt der Dorfvorsteher Ivan Berdon eine Rede, und danach warf er dreimal Erde auf den Sarg. Er benahm sich wie ein Geistlicher, er war sogar priestermäßig angekleidet. Den Gästen aus den anderen, umlie- genden Ortschaften soll das »zivile« Begräbnis so gut gefallen haben, dass sie es daheim einführen würden.264 In Ricmanje verbreitete sich diese Pra- 260 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Zara / Zadar an die Triestiner Statthal- terei (2.  April 1903), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  265, fasc.  4.1.5, 1903/753. 261 Protokoll über den Austritt von Marija Žuljan (29.  Januar 1903), in: AST, C.d. Capodistria, Culto, b.  170, fol.  70 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 262 Protokoll über den Austritt von Jože Dariž (3.  Februar 1903), in: Ebd., fol.  69 [über- setzt aus dem Slowenischen von mir]. 263 Protokoll über den Austritt von Ursula Pregerc (24.  März 1903), in: Ebd., fol.  678 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 264 Bericht des Landes-Gendarmarie-Commandos von Boljunec an die Bezirkshaupt- mannschaft von Capodistria / Koper (26.  März 1903), in: AST, Luogotenenza, AP,
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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