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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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164 Österreichisches Küstenland Feindbildern: (1) Im Konflikt mit der örtlichen Pfarrei ging es um soziale und wirtschaftliche Abhängigkeiten: Ricmanje war kirchenrechtlich Dolina, einem anderen Dorf, unterstellt, und die Dorfbewohner hatten dem dortigen Pfarrer hohe Beiträge zu erbringen. Sie forderten eine eigene Pfarrei, um die wirtschaftlich belastende Abhängigkeit beenden zu können. Die Zugehörig- keit zur Pfarrei von Dolina war allerdings nicht nur wirtschaftlich schädlich. Es war auch hinsichtlich des Selbstwertgefühls des Dorfes als Gemeinschaft problematisch. Ricmanje war ein Pilgerort mit einer großen, bedeutenden Kirche, dennoch war das Dorf einem anderen Ort unterstellt. (2) Im Kon- flikt mit dem Bistum stand die Sprachenfrage im Fokus, was dem Fall eine nationalpolitische »Sichtbarkeit« verlieh. Auch wenn es sich bei der Spra- chenfrage um eine pragmatische Forderung handelte, wurde sie im Kontext der »Nationalitätenkonflikte« artikuliert. Das Vokabular der »Nationalitä- tenkonflikte«, die Verwendung nationalistischer Sprache, ermöglichte vie- len Konfliktfällen auf dem Land eine breitere öffentliche Wahrnehmung. (3) Weil das Bistum die lokalen Ansprüche sowohl in der Liturgiesprachen- als auch in der Pfarreifrage ablehnte, entfremdeten sich die Bewohner immer mehr von der römisch-katholischen Kirche als Institution. Daher kündig- ten sie ihren Übertritt zum griechischen Katholizismus an. Da dieser Über- tritt seitens der katholischen Hierarchie nicht erlaubt wurde, versuchten die Dorfbewohner, in die serbisch-orthodoxe Kirche überzutreten. Wegen den Übertritten (oder besser gesagt: wegen den Übertrittsversuchen) konnte das Dorf als unkatholisches Dorf dargestellt werden, das seinen Glauben verlassen würde. Dem Übertrittswunsch lag aber keine Kritik am katholi- schen Glauben zugrunde, sondern nur der Wunsch, eine eigene Pfarrei zu bekommen und die Gottesdienste im Slowenischen zelebrieren zu können. (4) Weil den Dorfbewohnern ihre Forderungen innerhalb der institutiona- lisierten Religion verweigert wurden, entstand ein Konflikt zwischen ihrer sprachlichen und religiösen Zugehörigkeit: Es stellte sich die Frage, welchem Inhalt sie größere Bedeutung beimaßen.343 Die Dorfbewohner hoben diese Frage insofern dialektisch auf, als dass sie ihre Sprache in einer privatisierten und entkirchlichten Religiosität weiterhin erleben konnten und wollten  – wie die Akte priesterlos begangener, pseudo-religiöser Zeremonien zeigten. In diesem Sinne spricht Thomas Luckmann von einer »unsichtbaren Religion«, welche keines institutionalisierten Rahmens bedürfe.344 343 Über den Bedeutungszuwachs der Sprache gegenüber der privatisierbaren Religion siehe  u. a. Brubaker, Language, Religion, and the Politics of Difference, S.  99. 344 Über die Problematik der Gleichsetzung von Entkirchlichung und Unreligiosität sowie von Entkirchlichung und Sekularität siehe Thomas Luckmann, The Invisi- ble Religion. The Problem of Religion in Modern Society, New York / London 1967, S.  22f.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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