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166 Österreichisches Küstenland
als auch der neue Bischof in Triest vorgaben: mehr Disziplin auf der lokalen
Ebene und unter dem Klerus, Beseitigung der lokalen Partikularitäten, keine
Voreingenommenheit gegenüber katholischen Südslawen.
Der Konflikt in Ricmanje entstand nicht von selbst – er wurde von Don
Požar in Gang gesetzt, der in der pragmatisch bestimmten und lokal-par-
tikular verwurzelten Sprachenfrage das Potenzial eines nationalpolitisch
instrumentalisierbaren Streites erblickte. Mehreren Berichten ist zu ent-
nehmen, dass die slowenische Sprache in der Kirche von Ricmanje wahr-
scheinlich schon früher praktiziert worden ist. Diese illegale Praxis wurde
im Interesse des innerkirchlichen Friedens kirchlicherseits toleriert. Die
früheren Bischöfe von Triest wie Glavina und Šterk verkündeten nicht ein-
mal die päpstlichen Vorschriften bezüglich der Begrenzung altslawischer,
geschweige denn volkssprachlicher Liturgiepraxis, weil sie einen solchen
Konflikt befürchteten, der später in Ricmanje aufflammte. Don Požar ver-
suchte, diese stillschweigende Praxis öffentlich zu machen, um somit einen
Konflikt mit der kirchlichen Obrigkeit anzustacheln. Indem Nagl hart dage-
gen durchgriff, traf Don Požar auf einen Gegenpart, der fähig und willens
war, den Konflikt öffentlich auszutragen. Während die früheren Bischöfe die
normabweichenden Partikularitäten stillschweigend geduldet hatten, griff
Bischof Nagl dagegen härter durch. In diesem Sinne verurteilte er alle natio-
nalisierenden Tendenzen.
Der kirchliche Wunsch unter Bischof Nagl, einheitliche Struktur und Pra-
xis auf der lokalen Ebene, etwa in Ricmanje, durchzusetzen, kann im Kon-
text der »Klerikalisierung« verstanden werden: In Europa etablierte sich ein
neues kirchliches Selbstverständnis. Dazu gehörte die Vereinheitlichung der
kirchlichen Strukturen, Formen, Riten und Inhalte. Die Kirche konnte sich
als eigenständiger Akteur behaupten, wenn sie sich von nationalen, partiku-
laren Interessen sowie abweichenden Praxen loslöste. Die Klerikalisierung
zielte
– wie Urs Altermatt und Franziska Metzger zusammenfassen
– auf die
Hierarchisierung und Homogenisierung des Kirchenlebens ab.349 Eigensin-
nige Lebenswege und Lebensweisen wurden daher immer weniger toleriert.
Gehorsamkeit gegenüber der Kirchenhierarchie und eine Vereinheitlichung
des Kirchenlebens wurden immer stärker eingefordert. Wie Metzger betont,
vereinheitliche die katholische Kirche überall in Europa die bisherige hete-
rogene »Frömmigkeitskultur«. Sie versteht es als »Ultramontanisierung«
des Kirchenlebens, die eine elitäre, »von oben her« betriebene, erzwungene
349 Urs Altermatt / Franziska Metzger, Religious Institutes as a Factor of Catho-
lic Communities of Communication, in: Jan De Maeyer / dies. (Hg.), Religious
Institutes and Catholic Culture in 19th- and 20th-Century Europe, Leuven 2014,
S. 11–20, hier S. 16f.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303