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170 Österreichisches Küstenland
»Diebe«), und vor allem bezüglich der Sexualmoral hatten der Priester und
die Dorfgemeinschaft verschiedene Auffassungen. Dabei zeigte sich der ver-
tikale Konflikt zwischen Kirchgängern und kirchlicher Obrigkeit.
In vielen ähnlichen Fällen wurden die Konflikte jedoch nationalpolitisch
dargestellt. Es stand aber nicht nur im Interesse nationalistischer Agitato-
ren, sondern auch in jenem der lokalen Akteure. »Doing ethnicity« war in
Österreich eine mögliche ritualisierte, visualisierte, verbalisierte Perfor-
mance sozialer Selbstbehauptungen innerhalb von Ungleichheitsstruktu-
ren. Akteure verwenden die Sprache, die Symbole, die Referenzen, welche
sie zuvor gehört oder beobachtet hatten, um sich und ihre Interessen nach
außen verständlicher – und überhaupt: interessanter – zu machen.361 Der
»Nationalitätenkonflikt« war eine Performance und eine Sprache, derer sich
lokale Akteure bedienen konnten, um alltägliche (oder parteipolitisch moti-
vierte) Konflikte öffentlichkeitswirksamer gestalten und benennen zu kön-
nen.362 Die Konflikte entstanden aber nicht (nur) wegen der Sprache. Diese
konnte allerdings als Konfliktvorwand herangezogen werden, wenn andere
Gründe, die Streitigkeiten zwischen Pfarrern und Kirchgängern hervorrufen
konnten, bereits vorlagen. Konfliktauslöser konnten einerseits persönliche,
oft profane Momente sein,363 die entlang vermeintlicher oder tatsächlicher
nationaler Gegensätze erzählt werden.364 Andererseits wirkten politische
Ideologien wie der nationalistisch kaschierte Antiklerikalismus einiger
italienischsprachiger Kreise bzw. der kirchenpolitisch kaschierte Natio-
nalismus einiger südslawischer Klerikalen destabilisierend auf die lokalen
Kirchen
gemeinden.
361 McAdam u. a., Dynamics of Contention, Cambridge 2004, S. 138.
362 Dazu, warum auch alltägliche Konflikte in einer routinierten Performance verlie-
fen, siehe ebd., S. 140.
363 Konkurrierenden Aktionen liegen oft banale Motive zugrunde; vgl. Charles
Tilly u. a., The Rebellious Century 1830–1930, Cambridge MA 1975, S. 284.
364 Judson, Marking National Space, S. 125.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303