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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Seite - 187 -
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187Konflikte im Bistum Senj Einwohnern verhasst« sei.65 Stimmt aber ein so pauschalisierendes Urteil über ein ganzes Dorf? Die Frage, wie die Bewohner die altslawische Litur- giesprache aufnehmen sollten, spaltete die lokale Gemeinde in Kriviput. Don Modrčin meinte etwa, dass viele Menschen die altslawische Liturgiesprache akzeptiert hätten,66 aber einige Wortführer, die in den priesterlichen Briefen oder polizeilichen Berichten immer namentlich erwähnt wurden, bestimm- ten im Dorf die Ereignisse: Die Menschen seien laut einem Bericht des nati- onal-oppositionellen Blattes Hrvatska gegeneinander aufgehetzt worden. Ein Bauer, der sich für Don Modrčin Partei zu ergreifen traute, sei von anderen Bauern auf der Straße angespuckt worden.67 Nur mit örtlich bedingtem, persönlichem Hass lässt sich der Widerstand in Kriviput aber nicht erklären. Das dortige Ereignis blieb keinesfalls ein Einzelfall. Aus einem weiteren Dorf, Krasno, meldete der dortige Pfarrer noch im  Juni 1894, dass mehrere Menschen mit Drohungen und Gewalt auf die altslawische Liturgiesprache reagiert hätten. Ein alter Mann riet dem Pfarrer davon ab, das neue, altslawische Messbuch weiterhin am Altar lie- gen zu lassen, weil die Menschen es als Provokation wahrgenommen hätten. Als der Pfarrer am 10.  Juni 1894 die Messe in altslawischer Sprache zu lesen begann, riefen viele »Raus! Raus!« und verließen die Kirche.68 Wie der Pries- ter schrieb: »Die Menschen schrien und machten Lärm«.69 Vor der Kirche eskalierte die Situation. Einige Kirchenbesucher attackierten einen Mitarbei- ter des Pfarramtes. Nachdem der Pfarrer das Kirchentor zugesperrt hatte, bewarfen sie es mit Steinen. Der Pfarrer bat die Gendarmarie um Hilfe, um »den größten Skandal« zu vermeiden.70 Das Steinewerfen hatte keine bibli- sche oder theologische Konnotation  – es war eine übliche Gewaltform in der Region, wie sie auch im österreichischen Istrien zu sehen war (3.1.). Gerade in der steinigen Gegend von Lika-Krbava, den karstigen, hohen Gebirgen von Velebit, boten sich die Steine als »Waffen« an. Die Angst vor einer Orthodoxisierung sprach sich in der Gegend rasch herum. Die serbisch-orthodoxe Bevölkerung schürte die Befürchtungen der Katholiken ebenso. In Kriviput berichteten die katholischen Einwohner darüber, dass einige Orthodoxe aus der Gegend sie wegen der altslawischen Liturgiesprache ausgelacht hätten. Die Orthodoxen hätten etwa behaup- 65 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županijska oblast) von Gospić an das Bistum Senj (10.  Juni 1894), in: Ebd., broj 695 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 66 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj über die Mitteilung des Pfarrers von Kriviput (25.  Mai 1894), in: Ebd., broj 2818. 67 Hrvatska, 30.  Mai 1894. 68 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (15.  Juni 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 3080 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 69 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 70 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (15.  Juni 1894), in: Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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