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von dieser letzten Partei lautstark gefordert; die offizielle Linie der »Stranka
Prava« hingegen war skeptischer hinsichtlich jeglicher proserbischer, jugos-
lawischer Annäherungsversuche, und insofern auch der altslawischen Litur-
giesprache. Im Falle von Don Gršković lässt sich zeigen, wie unterschiedlich
und gespalten selbst das nationalistisch-oppositionelle »Lager« auf die altsla-
wische Liturgiesprache in der kroatischen Öffentlichkeit reagierte.91 Gleich-
zeitig lassen sich dabei innerkirchliche Unstimmigkeiten zwischen dem
höheren und dem niederen Klerus erkennen. Don Gršković änderte aber spä-
ter seine Meinung: 1901 wanderte er in die USA aus
– infolge von Streitigkei-
ten mit der kirchlichen Obrigkeit
–, wo er sich als nationalistischer Journalist
und Priester betätigte.92 In der dortigen kroatischen Diaspora unterstützte er
eindeutig – gegenüber den prohabsburgischen Auswanderern – die jugosla-
wische Idee.93
Die Tatsache, dass Menschen von einem regierungsnahen Priester zu
einem oppositionellen abwanderten (»auslaufen«), ermöglichte eine nati-
onalistische Erklärung der Vorfälle. Die dominierende nationalistische
Presse (Agramer Tagblatt, Hrvatska, Obzor) versuchte, den antialtslawischen
Widerstand in einen antiungarischen umzuinterpretieren. Die antialtsla-
wischen Aufstände erstreckten sich aber auch auf Dörfer wie Klanac oder
Alexinac,94 wo die Pfarrer keine Anhänger der Regierungspartei waren. Weil
der Pfarrer in Klanac, Don Vidaš, die altslawischen Messen unterstützte
– er
hätte in Perušič gemeinsam mit Don Kovačić die Messe lesen sollen –, stieß
er in seiner Kirchengemeinde ebenso auf Ablehnung. Ihm wurde der Zugang
zur Kirche verweigert, damit er in der Ortskirche nicht mit den altslawischen
Messen anfangen könnte.95 Mehrere Bewohner marschierten zum Pfarrhaus,
um den Kirchenschlüssel einzufordern. Danach versammelten sie sich vor
der Kirche. Sie wollten die Kirche zusperren, um weitere altslawische Messen
im Dorf zu verhindern – wie sie dem Pfarrer Don Vidaš verkündeten: »Wir
91 Günter Schödl meint immerhin, dass die zwei Hauptströmungen des kroatischen
Nationalismus (Jugoslawismus und Kroatismus) einander eigentlich nicht aus-
schlossen, weil sie ähnliche Ziele hatten: die innen- oder außerhabsburgische Ver-
selbstständigung der kroatischsprachigen Länder bzw. die Emanzipierung von den
magyarisierenden Tendenzen; vgl. Günther Schödl, Kroatische Nationalpolitik und
»Jugoslavenstvo«. Studien zu nationaler Integration und regionaler Politik in Kroa-
tien-Dalmatien am Beginn des 20. Jahrhunderts, München 1990, S. 67.
92 Matjaž Klemenčič, Croats and Croatian Americans, 1870–1940, in: Elliot Robert
Barkan (Hg.), Immigrants in American History. Arrival, Adaptation and Integra-
tion. Vol. 1, Santa Barbara u. a. 2014, S. 291–300, hier S. 299.
93 Zu seinem Leben siehe Srećko Ljubljanović, Niko Gršković, in: Hrvatski Biografski
Leksikon [Kroatisches Biographisches Lexikon], URL: <http://hbl.lzmk.hr/clanak.
aspx?id=28> (15.10.2019).
94 Narodne Novine, 27. August 1894.
95 Bericht des Vizegespans von Lika-Krbava (23. August 1894), in: HDA, ZV, Pr.,
kut. 487, 1657/1894, broj 39, fol. 21f.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303