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ren sei,110 weil es die nationale Bedeutung und Wichtigkeit der altslawischen
Liturgiesprache noch nicht begriffen habe:
Die Wiedereinführung der Glagoljica in der katholischen Kirche in Kroatien ist im
Interesse der kroatischen Nation gelegen und man kann es nur unpatriotisch bezeich-
nen, wenn das Volk gegen diese Errungenschaft haranguirt wird, auf welche die Kro-
aten als die einzigen unten den Katholiken der Welt mit Stolz verweisen können.111
Die regierungsnahe Presse (Agramer Zeitung, Narodne Novine) wies hinge-
gen schadenfreudig darauf hin, dass das »einfache« Volk den national-kle-
rikalen Erwartungen und Forderungen wenig Verständnis entgegenbringe:
Wir constatieren demnach zunächst, daß die Opposition stets behauptet, die ganze
Nation stehe hinter ihr und bekenne sich zu ihren Grundsätzen;… […] Und statt des-
sen, was sehen wir nun? Die Bevölkerung eines Landestheiles, in welchem die Erinne-
rung an den Gottesdienst in der slawischen Sprache noch nicht erloschen sein kann,
widersetzt sich der Wiedereinführung desselben in seiner reinen Form auf das Ent-
schiedenste und verlangt die lateinische Messe, wodurch sie eclatant beweist, daß sie
dieser national wichtigen Maßregel, zu deren alleinigem Fürsprecher die Opposition
sich, im Gegensatz zu der »magjaronischen« Partei, stets aufgeworfen hat, absolut
nicht das geringste Verständnis entgegenbringt… […] Dem Volke die hohe Wichtig-
keit und die nationale Bedeutung des altslawischen Gottesdienstes klar zu machen,
das waren sie [die Opposition] nicht im Stande, daran war ihnen auch offenbar sehr
wenig gelegen; aber dazu Schlagwort von dem magjaronischen Landesverrath und
dem Serbenhass, die haben sie glücklich in das Volk geschmuggelt.112
Die regierungsnahe Tageszeitung betonte mit Recht, dass die kroatischspra-
chige lokale Ebene nicht den nationalistischen Erwartungen entsprechend
auf die Forderungen der nationalistischen Kreise reagiere. Obwohl die alt-
slawische Liturgiesprache in der politischen Öffentlichkeit – nicht nur in
Kroatien, sondern auch im ganzen Habsburgerreich – als Ausdruck loka-
ler nationaler Selbstverortungen wahrgenommen und dargestellt wurde,
scheiterten die kroatisch-nationalistischen Agitatoren mit der altslawischen
Liturgiesprache gerade in einer Region, wo die Kirchengemeinden homogen
kroatischsprachig waren und die altslawische Liturgiesprache zumindest
eine gewisse historische Tradition hatte. Das Blatt hebt ebenso mit Recht
hervor, dass die nationalistischen Kräfte die blamierende Ablehnung der
altslawischen Liturgiesprache mit antiserbischer Hetzerei und Angstmache-
110 Hrvatska, 30. Mai 1894.
111 Agramer Tagblatt, 31. Mai 1894.
112 Agramer Zeitung, 25. August 1894.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303