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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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204 Ungarisch-Kroatisches Küstenland slawische (glagolitische) Liturgiesprache darf zwar nicht  – im Sinne von Eric Hobsbawm140  – als »erfundene Tradition« betrachtet werden, weil sie in der Vergangenheit tatsächlich praktiziert worden war.141 Ihre Wiederein- führung in den kroatisch bewohnten Teilen des oberadriatischen Raumes stellte aber eine künstliche, von oben her angeordnete Wiederbelebung einer vielerorts schon vergessenen und von der lokalen Ebene nicht erwünschten Praxis dar. In vielen Ortschaften hatte die Volkssprache im Alltag längst die altslawische Liturgiesprache ersetzt oder zumindest ergänzt.142 Im kirchli- chen Bereich etablierte sich  – wie Predrag Bukovec schreibt  – »eine faktische Dreisprachigkeit«: Neben der altslawischen und der rein lateinischen Messe gab es Messen, in denen der Priester sein Brevier lateinisch betete, aber die Sakramente in kroatischer Sprache verteilte.143 Bereits 1495 wurde ein Mess- buch zu dieser volkssprachlichen Variation in Venedig gedruckt, welches in Fiume / Rijeka 1889 nochmals verlegt wurde.144 1634 wurde die Verwen- dung der aus dem lateinischen Messbuch wortwörtlich übertragenen volks- sprachlichen Messen erlaubt, die somit ein Usus innerhalb des lateinischen Ritus darstellten.145 Eine Messe, wo alles volkssprachlich gebetet wurde, war jedoch nicht zugelassen.146 Auch wenn der Hl.  Stuhl die volkssprachliche Praxis zurückdrängen wollte, beäugte er kritisch und skeptisch die Entscheidung von Bischof Posilović, sie 1894 per Dekret mit der altslawischen Liturgiesprache in allen Kirchen des Bistums zu ersetzen. Die Ritenkongregation des Hl.  Stuhles erlaubte mit einer Entscheidung von 1892 die altslawische Liturgiesprache als kirchenbezogenes Privileg: Nur in den Kirchen hätten die Priester die 140 Eric Hobsbawm, Inventing Traditions, in: Ders. / Terence Ranger, The Invention of Tradition, Cambridge 1992, S.  1–14. 141 Die altslawische sowie kroatischsprachige Liturgie bestimmte das Kirchenleben im Bistum Senj vor dem 19.  Jahrhundert; vgl. Orešković, Un diocèse des Alpes Dina- riques, S.  188. 142 Okey, Austro-Hungarian Diplomacy and the Campaign for a Slavonic Liturgy, S.  274. 143 Bukovec, Der glagolitische Usus, S.  104f. 144 Gottsmann, Rom und die nationalen Katholizismen, S.  40f. 145 Bukovec, Der glagolitische Usus, S.  104. 146 Es ist immerhin bemerkenswert, dass ein generelles Verbot volkssprachlicher Mes- sen in der katholischen Kirche infolge des Privilegiums westkroatischer, dalmati- nischer Pfarreien, die Messen in altslawischer oder (teilweise) kroatischer Sprache lesen zu dürfen, nie explizit und kategorisch festgelegt werden konnte, was kirchen- rechtlich die spätere, während des Zweiten Vatikanischen Konzils erfolgte Öffnung der katholischen Kirche hin zur volkssprachlichen Liturgie ermöglichte; vgl. ders., S.  103. (Es war der damalige Bischof von Senj, der das Konzil von Trient im 16.  Jahr- hundert auf das bestehende Privileg der altslawischen Liturgiesprache, insofern auf die Unmöglichkeit eines generellen Verbotes der nichtlateinischen Messen auf- merksam machte, vgl. Smežik, The Glagolitic or Roman-Slavonic Liturgy, S.  113).
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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