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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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249Nationalitätenkonflikt ösen Nonkonformismus« stellt die »religiöse Nonkonformität« zwar selbst eine Normbrechung dar, aber nicht mit der Intention, die ganze Ordnung zu  ersetzen.23 Die »zivilen« Zeremonien in Ricmanje und Drenova können demnach als religiös nonkonforme Normbrechung betrachtet werden. Sie zielten nicht auf die wertrational motivierte Beseitigung der katholischen Religion  – sie waren vielmehr zweckrational bestimmt: Weil die proaktiven oder reakti- ven Ansprüche innerhalb der bestehenden Ordnung (»Kirche«) nicht erreicht werden konnten, bedienten sich die lokalen Akteure non-konformer For- men, ohne dabei die bestehende Ordnung wertrational abgelehnt zu haben. Die »zivilen« Begräbnisse und Taufen forderten zwar die Deutungshoheit, die Autorität der kirchlichen Obrigkeit heraus, indem sie der Kirche etwa die Macht über den Körper entzogen.24 Aber die Zeremonien waren nicht »zivil« im Sinne von einer Religionslosigkeit oder Antireligiosität. Statt von Säkula- risierung kann die Rede vielmehr  – im Sinne einer »Entkirchlichung«  – von »Profanierung« sein. Wie Giorgio Agamben die Profanierung beschreibt: Während die Säkularisierung die Machtgrundlage verweltlicht, macht die Profanierung sie allen zugänglich.25 Nicht die religiöse Lehre, sondern die Machtstellung des Klerus wurde durch die dörflichen Handlungen wie etwa die Zivilbegräbnisse oder zivile Taufen infrage gestellt. Indem Laien in Ricmanje und Drenova priesterliche Aufgaben und Formen ausübten, profanierten sie  – im Agambenschen Sinne  – ein Machtverhältnis: Sie gaben es einem allgemeinen Gebrauch zurück. Die (zumindest ursprüng- lich formulierten) Ansprüche der Menschen auf der lokalen Ebene bestanden also nicht darin, die katholische Kirche, geschweige denn den katholischen Glauben, verlassen zu wollen, sondern sie wollten ihr lokales Kirchenleben (sowohl was die Pfarreistruktur als auch die Liturgiesprache anbetraf) selbst bestimmen und gestalten dürfen. Erst nachdem die kirchliche Obrigkeit die- sen proaktiven oder reaktiven Ansprüchen nicht nachgekommen war, han- delten die Menschen in Ricmanje und Drenova zweckrational non-konform, indem sie sich immer mehr der katholischen Kirche  entfremdeten. Als Analogie zur »religiösen Nonkonformität«, das heißt der zweckrati- onalen Abweichung innerhalb einer bestehenden Ordnung, lässt sich auch die vermeintliche, oben beschriebene »nationale Indifferenz« eher als »nati- onale Nonkonformität« begreifen. Die nationalistischen Diskurse gaben vor, was als »Italiener« oder »Kroate« oder »Slowene«  – im Sinne einer nationalen 23 Ebd., S.  7. 24 Zum biopolitischen Konzept der Macht über den nackten Körper siehe  u. a. Giorgio Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, Frank- furt a. M. 2002, S.  127f. 25 Ders., Profanierungen, Frankfurt a. M. 2015, S.  74f.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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