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261Ausblick
Konzept von Zentraleuropa, weil alle anderen Konzepte (wie Ost- oder West-
europa) in dieser Region Produkte der postimperialen, nationalstaatlichen
Aufteilung waren:
Wird von Zentraleuropa gesprochen, so wird die Aufmerksamkeit verstärkt wieder
auf übergreifende Interaktionsprozesse und diachrone Verschichtungen gezwungen,
um das sichtbar zu machen, was in der Vergangenheit von nationalen bzw. national-
staatlichen Narrativen verdeckt bzw. verleugnet wurde.16
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Was das innerkatholische Leben der lokalen Ebene betrifft, lässt sich erken-
nen, wie aus Niederlagen – etwa der Ablehnung der ländlichen, religiösen
Nonkonformitäten
– Siege hervortreten konnten. Joseph Schumacher betont,
dass die innerkatholischen Spannungen und Gegensätze, wegen derer die
katholische Kirche sogar des Synkretismus bezichtigt werden kann, nicht
kontradiktorischer, sondern konträrer (und dadurch komplementärer)
Natur seien: Sie lassen sich in der katholischen Kirche gleichzeitig erleben.17
In Bezug auf die Muttersprache gelang der katholischen Kirche diese Ein-
sicht erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Die in der Arbeit geschilderte,
direkte Kommunikation mit der kirchlichen Obrigkeit und die aktiven oder
reaktiven Ansprüche – auch wenn sie zuerst nicht gehört, geschweige denn
erlaubt wurden – drängten die katholische Obrigkeit und die Priesterschaft
letztendlich dazu, den Laienbedürfnissen nachzukommen. Die damaligen
Forderungen südslawischer Kirchgänger nach muttersprachlichen Liturgien
wurden so nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erlaubt und eingeführt.
Was zu den habsburgischen Zeiten als Zeichen von nationaler wie religiöser
Indifferenz, aber auch vom Nationalismus missverstanden und bedient wer-
den konnte, gilt heutzutage als Normalität des Kirchenlebens einer Kirche,
die durch die Anerkennung lokaler Partikularitäten und muttersprachlicher
Liturgien ihre Supranationalität nicht einbüßen musste. Andreas Gottsmann
meint daher mit Recht, dass viele Konflikte der habsburgischen Zeit durch
eine kirchliche Toleranz etwa in der Liturgiesprachenfrage
– das heißt gegen-
über der »religiösen Peripherie« (Niklas Luhmann) – hätten abgemindert,
sogar vermieden werden können.18
16 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt, S. 79.
17 Joseph Schumacher, Die Identität des Katholischen, Heimbach / Eifel 2016, S. 26.
18 Gottsmann, Rom und die nationalen Katholizismen, S. 318.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303