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262 Ausblick
Die Supranationalität wird in der katholischen Kirche nicht zwangsweise
als Homogenität der Rituale, Praktiken und Symbole verstanden und erlebt,
als ob alle Abweichungen »religiöse Indifferenz« darstellen würden und als
solche beseitigt werden sollten. Die katholische Kirche lässt sich – in vie-
len Hinsichten infolge ihres »römischen« (imperialen) Erbes – als complexio
oppositorum, das heißt als Einheit der Gegensätze, verstehen,19 in dem – wie
selbst der protestantische Theologe Paul Tillich bemerkt
– vieles seinen Platz
zu finden habe:
Das Prädikat der intensiven Universalität hält die Kirchen offen
– offen, wie das Leben
selbst ist. Nichts, was geschaffen und darum essentiell gut ist, ist vom Leben der Kir-
chen und ihrer Glieder ausgeschlossen. Das ist der Sinn des Prinzips der complexio
oppositorum, auf das die römisch-katholische Kirche mit Recht stolz ist.20
Insofern lassen sich die innerkatholischen Konflikte auch im ländlichen
Hinterland des Küstenlandes – im Sinne von Max Weber – letztendlich als
Etablierung und Verstärkung der »Gemeindereligiösität«21 begreifen, weil
die lokalen Akteure immer mehr Einfluss und Gestaltungsraum bezüglich
ihrer Kirche und ihres religiösen Lebens – ohne dabei den katholischen
Glauben verlassen zu wollen – einforderten. Auch wenn ihre nationale Non-
konformität in den nationalstaatlichen Strukturen immer weniger beachtet
und geduldet wurde, brachte die römisch-katholische Kirche der religiösen
Peripherie letztendlich Verständnis und Akzeptanz entgegen.
19 Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, Stuttgart 2002, S.
11ff.
20 Paul Tillich, Systematische Theologie III. Hg. und eingeleitet von Christian Danz,
Berlin / Boston 2017, S. 648 [Hervorhebung im Orig.].
21 Zur »Gemeindereligiösität« siehe Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Herr-
schaft, Tübingen 1972, S. 278.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303