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2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB
NACH 1945
Bei dem Versuch den Begriff „Literaturbetrieb“ auf einer theoretischen Ebene
zu erfassen, ergeben sich definitorische Probleme, denn in der Theorie gibt es
„[d]en Begriff Literaturbetrieb […] eigentlich nicht“.1 Vielmehr konkurriert der
Begriff mit einem Ensemble von Begriffen, die von „literarisches Leben“, „Lite-
raturszene“ bis zu „Literaturmarkt“ oder einfach ganz allgemein „Literatur“ rei-
chen. Bodo Plachta hat angemerkt, dass der Begriff „Literaturbetrieb“ nicht sel-
ten negativ konnotiert ist, da es sich dabei nur um ein „Zurschaustellen von
Autoreneitelkeiten oder schlichtweg um Strategien von Verlagen“2 handle. Den-
noch ist das Phänomen „Literatur“ schon immer ein öffentliches Ereignis und
beschwört Reaktionen, die über kontrovers geführte Debatten bis hin zu Skan-
dalen reichen. Heinz Ludwig Arnold definierte den Begriff in den 1970er Jahren
noch als ein „Forum“, auf dem „Geschriebenes […] auf vielfältige Weise umge-
setzt wird, abgesetzt, diskutiert, kritisiert, dargestellt, angepriesen, geplant,
gemacht, gedruckt, vermittelt wird und auf dem Literaturproduzenten auf eben-
solche vielfältige Weise agieren“.3
Einer Definition von Ralf Schnell zufolge umfasst der Bereich „Literaturbe-
trieb“ die Herstellung, Verbreitung und Aufnahme von Literatur; Otto Lorenz
dagegen hat das Begriffspaar „Literaturbetrieb“ und „literarisches Leben“ weiter
differenziert. Lorenz zufolge zielen zwar beide auf das gleiche Phänomen, jedoch
mit einer jeweils anderen Akzentsetzung: der „Literaturbetrieb“ fokussiere auf
die „Funktionen und Insider-Aktivitäten des Buchmarktes“, das literarische
Leben beziehe sich auf den „komplexen Verlaufscharakter solcher Prozesse“ in
Form von Veröffentlichung, Werbung, Autorenlesung, Rezension oder auch Dis-
kussion.4
Doris Moser, die sich dem Literaturbetrieb kritisch entlang einer Monogra-
phie über den Ingeborg-Bachmann-Preis angenähert hat,5 beschreibt selbigen
als ein Netz aus Kommunikationsakten und orientiert sich dabei an Bourdieus
Theorie des literarischen Feldes:
1 Bodo Plachta: Literaturbetrieb. Paderborn: W. Fink 2008 (= UTB 2982), S. 9.
2 Ebd.
3 Ebd., S. 11.
4 Vgl. ebd., S. 11 f.
5 Vgl. Doris Moser: Der Ingeborg-Bachmann-Preis. Börse, Show, Event. Wien, Köln, Weimar:
Böhlau 2004 (= Literaturgeschichte in Studien und Quellen 9).
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437