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zunehmend an Bedeutung verloren hatte, durfte er sich dennoch der Wertschät-
zung der Mächtigen erfreuen.
5.4 „Europalia 1988“
Die Grenzen seiner kulturpolitischen Ambitionen zeigten sich Wolfgang Kraus
im Zuge der Vorbereitungen zur „Europalia 1988“, in deren Vorbereitungsko-
mitee er berufen worden war. Wie er Peter Handke berichtete, stehe er „wieder
im beruflichen Kampf, aber nicht für meine mich unmittelbar betreffende Arbeit,
sondern für die Präsentation Österreichs bei der Brüsseler Europalia, wobei ich
hier hart und temperamentvoll mit der Kulturbürokratie mich schlage“.178 Die
Propagierung und Repräsentation Österreichs sollte sich für Kraus in den 1980er
Jahren hinsichtlich dieser kulturellen Großveranstaltung mit den „Kulturkämp-
fen“, die von linken literarischen Gruppierungen geführt wurden und die sich
an der unbewältigten Vergangenheit des Landes während des Nationalsozialis-
mus entzündeten, zunehmend als diffizil erweisen. Gelegentlich gemahnte die
Atmosphäre zu diesen Jahren „an den Kulturkampf der dreißiger Jahre“ in Öster-
reich, wiewohl sie aber deren dramatische ökonomische „Dimension zur Gänze
[…] entbehrte“.179 Die Kontroversen erstreckten sich u. a. vom „Mahnmal gegen
Krieg und Faschismus“ des Bildhauers Alfred Hrdlicka, über die Absetzung von
Franz Schmidts Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln unter der Regie von
George Tabori bei den Salzburger Festspielen 1987 bis zu Thomas Bernhards
Beitrag zum Gedenkjahr 1988, dem Theaterstück Heldenplatz (1988). Auch wenn
Kraus sich in den 1980er Jahren dem „Kulturkampf“ der österreichischen Intel-
lektuellen nicht anschloss, so war er doch äußerst kritisch gegenüber den „Mäch-
tigen“ eingestellt, wie er sich gegenüber Vizekanzler Alois Mock hinsichtlich der
Stellungnahme des Nationalratsabgeordneten und ÖVP-Politikers Michael Graff
zu Taboris Inszenierung von Das Buch mit sieben Siegeln aussprach. Graff hatte
polemisiert, man könne Tabori für seine nächste Inszenierung „eine schöne
öffentliche Bedürfnisanstalt“180 zur Verfügung stellen. Kraus bat Mock, Graff
auszurichten, „er soll sich nicht mehr auf solche Weise über kulturelle Themen
äußern“.181 Für Kraus enthüllte dieser „Kommentar“ nicht
178 Wolfgang Kraus an Peter Handke, 18.
September 1986, ÖLA SPH/LW: Sammlung Peter Hand-
ke / Leihgabe Hans Widrich, ohne Sign.
179 Lutz Musner: Der Geschmack von Wien. Kultur und Habitus einer Stadt. Frankfurt/M.: Cam-
pus Verl. 2009, S. 107 f.
180 Gerhard Roth: Der Würgegriff des Volksempfindens. In: Die Zeit, 14. August 1987.
181 Wolfgang Kraus an Alois Mock, 2. August 1987, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
338 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437