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dies darf aber nicht auf Kosten eines Ortes geschehen, der allgemein bekannt ist
und durch die gegebene Beschreibung einwandfrei zu erkennen ist. […] Die berech-
tigte Empörung der Bevölkerung unterstützt uns bei diesem Protest. […] Der ORF
als eine jener Institutionen, die die Kultur unseres Landes zu tragen haben, dürfte
literarische Fehltritte – und mit einem solchen haben wir es hier zu tun – nicht
fördern. Herr Vujica hat provokativen Schmutz über St.
Wolfgang geschrieben, der
ORF hat diesen verbreitet – ohne zu bedenken, daß der Ruf eines Ortes dadurch
ernstlich geschädigt wird. […] Wir erwarten jedoch zumindest eine grundsätzli-
che Aufklärung, wie und warum es zu dieser Sendung kam.257
Ob sich Kraus für diese literarische „Entgleisung“ seines Schützlings verantwor-
ten musste, konnte nicht eruiert werden. Die von Kraus protegierten Autorin-
nen und Autoren wurden jedoch immer wieder mit staatlichen Zuschüssen
bedacht, so erhielt z. B. Franz Rieger 1972 den Förderpreis des Bundesministe-
riums für Unterricht und Kunst, Wolfkind im Jahr darauf; für Riegers Die Lan-
dauer gab es einen Druckkostenzuschuss von 24.000 Schilling, und Buchprämi-
en des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst wurden an Anton Fuchs
(Imaginäre Berichte), Rieger (Die Landauer), Sperber (Die Wasserträger Gottes)
und Wolfkind (Boten des Frühling), Rieger (Feldwege) sowie Schmidt (Das Kom-
men des Johnny Ray) vergeben.258
4.3.2 „Die Rampe“
Über Kraus’ Rolle bei den offiziösen Literaturzeitschriften „Wort in der Zeit“
und „Literatur und Kritik“, die in engem Verhältnis zur ÖGL standen, wurde
bereits referiert (vgl. Kapitel 3.4). In der Folge soll nun seine Beteiligung an einer
anderen Zeitschrift, nämlich der oberösterreichischen Literaturzeitschrift „Die
Rampe“, nähere Betrachtung finden. Das Herausgeberteam der „Rampe“, die auf
eine Initiative von Karl Pömer, den Leiter der Kulturabteilung des Landes Ober-
österreich zurückging, setzte sich aus Gertrud Fussenegger, Heimrad Bäcker und
Kraus zusammen. Zunächst war noch der Schriftsteller Rudolf Bayr, der zwar
NS-belastet war, aber in der Zweiten Republik eine beachtliche Karriere hinleg-
te, im Gespräch. Bäcker, der als 18-Jähriger in die NSDAP aufgenommen wor-
den war, jedoch keine Funktion innerhalb der Partei erfüllte, war mit der seit
1968 herausgegebenen Literaturzeitschrift „neue texte“ ein wichtiger Förderer
der österreichischen Literatur. Er nahm sich vor allem der konkreten Poesie und
experimentellen Dichtung an und verfasste mit nachschrift (1986) selbst eines
257 Günter Wacek (Kurdirektor St. Wolfgang) an Ernst Wolfram Marboe, 26. März 1973.
258 Vgl. Bundesministerium für Unterricht und Kunst (Hg.): Kunstbericht 1974, S. 24.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
254 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437