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4.2 Der Literaturkritiker Kraus
Da Literaturkritik eines der „wichtigsten Elemente bei der Vermittlung von Lite-
ratur“126 ist, wie Bodo Plachta festgestellt hat, soll an dieser Stelle Kraus’ Praxis als
vermittelnde Instanz zwischen Literatur und Leserin bzw. Leser näher beleuchtet
werden. Eine Beschreibung seiner Funktion als Literaturkritiker ist auch deshalb
zentral, weil er mit seinen zahlreichen Kritiken eine die Leserin bzw. den Leser
steuernde Funktion einnahm und mit seinem Ordnen und seinen Bewertungen
von Texten das Rezeptionsverhalten mitprägte. Die ihm dadurch zukommende
Funktion als „Gatekeeper“ stand im Zeichen des Auswählens, Ordnens und Bewer-
tens und trägt ein Moment des Subjektiven, weshalb es diese Tätigkeit zu proble-
matisieren gilt. Denn die Tätigkeit des Kritikers will immer auch allgemeine Vor-
stellungen davon vermitteln, was Literatur ist bzw. sein kann und entscheidet
durchaus über das weitere Schicksal eines Buches, einer Autorin bzw. eines Autors
oder sogar eines Verlags mit. Literaturkritik gilt deshalb als ein „anspruchsvolles
Element im Kommunikationsfeld zwischen Autor, Verleger/Buchhändler und
Leser, obwohl sie immer wieder als bloße ‚Dienstleistung‘ herabgewürdigt“127 wird.
Für die heutige Zeit lässt sich der Begriff – mit Thomas Anz – als „informieren-
de, interpretierende und wertende Auseinandersetzung mit vorrangig neu erschien-
ener Literatur und zeitgenössischen Autoren in den Massenmedien“128 definieren.
Kraus’ Literaturkritiken erschienen, meistens auch simultan oder in leicht
veränderten Fassungen vor allem in regionalen westdeutschen Zeitungen. Zu
nennen sind der „General-Anzeiger Bonn“, das „Oberbayerisches Volksblatt“,
die „Saarbrücker Zeitung“, der „Wiesbadner Kurier“, die „Hannoversche Allge-
meine Zeitung“, die „Kölnische Rundschau“, das „Darmstädter Echo“, das
„Aargauer Tagblatt“, „Der Tag, Berlin“, die „Fuldaer Volkszeitung“, die
„Rhein-Neckar-Zeitung“, „Die Rheinpfalz“, die „Stuttgarter Zeitung“ und die
„Südost Tagespost“. Sporadisch brachte auch die westdeutsche Wochenzeitung
„Die Zeit“ seine Rezensionen. Auch in der Schweiz war er in den Zeitungen
„St. Galler Tagblatt“, „National-Zeitung Basel“ und „Lüzerner Neueste Nach-
richten“ vertreten. In Österreich waren es u. a. der „Wiener Kurier“, die „Wiener
Wochenausgabe“, „Die Presse“, die „Wiener Zeitung“, „Neues Österreich“ und
die „Furche“, wo er mit Rezensionen vertreten war, ebenso wie die Literaturzeit-
schriften „Wort in der Zeit“ sowie deren Nachfolgerin „Literatur und Kritik“.
Um 1957 hatte Kraus zu Rudolf Henz Kontakt aufgenommen und ihm Bespre-
126 Bodo Plachta: Literaturbetrieb. Paderborn: W. Fink 2008 (= UTB 2982), S. 90.
127 Ebd., S. 92.
128 Thomas Anz: Literaturwissenschaft und Literaturkritik. Kooperation und Konkurrenz. In:
Michael Klein, Sieglinde Klettenhammer (Hg.): Literaturwissenschaft als kritische Wissen-
schaft. Wien: Lit 2005 (= Innsbrucker Studien zur Alltagsrezeption 1), S. 29–43, hier S. 29.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
226 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437