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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur „Meine bitter-bösen Erinnerungen“, schrieb Jakov Lind 1967 an Wolfgang Kraus, „sollen Sie weiter nicht schmerzen. Die Wunde vor ca. 30 Jahren geschla- gen, wird bei mir nicht mehr heilen. Hätte es mehr als zehn Gerechte (zu denen Sie gehören) gegeben, wäre meine Stadt und meine Liebe für Österreich nicht zerstört worden.“273 Lind war unter den ersten Exilautorinnen und -autoren, die von der ÖGL eingeladen wurden: Am 2.  November 1962 las er aus seinem Erzählband Eine Seele aus Holz, der bei Luchterhand erschienen war, zu den meist besprochenen Neuerscheinungen der Frankfurter Buchmesse 1962 zähl- te und sofort in zehn Sprachen übersetzt wurde. Der 1927 als Heinz Landwirth geborene Lind war 1938 mit einem Kindertransport in die Niederlande geflüch- tet und 1943 mit falschen Papieren nach Deutschland gegangen, wo er unter dem Namen Jan Gerrit Overbeek auf einem Rheinschlepper tätig war. In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre lebte er in Israel, kehrte 1950 nach Wien zurück, wo er am Max-Reinhardt-Seminar eine Schauspielausbildung absolvierte, und ging 1954 nach London. Vielleicht lag der Grund für seine Einladung nicht nur am Erfolg seines literarischen Debüts, sondern auch daran, dass er „in einer Periode, als das offizielle Österreich seine ehemals abgewiesenen Bürger wieder für sich entdeckte und unter dem Etikett ‚Exilliteratur‘ eine Eingemein- dung versuchte, diese für sich strikt abgelehnt“274 hat und sich nie zu ihr bekann- te. Denn bei genauerem Studium des Programms der ÖGL entsteht der Ein- druck, dass zwar ein kulturpolitisches Versäumnis der Nachkriegszeit aufgeholt wurde, sich die spezifische Einladungspraxis dennoch kulturpolitischen Rah- menbedingungen zu fügen hatte: So kam von Kraus etwa der Vorschlag, Lind solle sich an einer Diskussion zum Thema „Literatur und ‚unbewältigte‘ Ver- gangenheit“ beteiligen, weil er fand, dass dieser „Komplex (der uns ja viel weni- ger beschäftigt als die Deutschen), einmal aufzulösen“275 sei. Doch kam es nicht dazu, denn „eine dringend eingeschobene Diskussion über aktuelle Probleme der Bundestheater“276 blockierte den Termin. Die innerösterreichische kultur- politische Situation schiebt sich hier vor eine Veranstaltung, die der Aufarbei- tung der NS-Vergangenheit gewidmet ist, was durchaus stellvertretend für die kulturpolitischen Prämissen der 1960er Jahre gelesen werden kann. Schrift- steller wie Lind, aber auch Erich Fried lagen dem „Linkskonservatismus eines 273 Jakov Lind an Wolfgang Kraus, 1.  März 1967, ÖGL-Archiv. 274 Ursula Seeber: Der unheimliche Dichter. Zur deutschsprachigen Rezeption von Jakov Lind. In: Helga Schreckenberger (Hg.): Ästhetiken des Exils. Amsterdam [u. a.]: Rodopi 2003 (= Amster- damer Beiträge zur neueren Germanistik 54), S. 333–352, hier S. 333. 275 Wolfgang Kraus an Jakov Lind, 28.  Februar 1964, ÖGL-Archiv. 276 Ders. an Jakov Lind, 31.  März 1964, ÖGL-Archiv. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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