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Kassner, [Franz] Werfel, [Hermann] Broch, [Robert] Musil, Joseph Roth, [Stefan]
Zweig, [Fritz von] Herzmanovsky-Orlando, [Heimito] von Doderer und Ferdinand
Bruckner findet man wenigstens photographische Porträts, wenn schon keine
Bücher zu sehen sind, gar nicht zu reden von den fehlenden diesjährigen Neuer-
scheinungen jüngerer Autoren, wie Herbert Eisenreich, Jeannie Ebner, Humbert
Fink. […] Ein Fremder müßte glauben, man schäme sich ihrer und klammere sie
aus der Werbung für die schöpferische Geistigkeit Österreichs gerade in ihrer Hei-
mat Österreich einfach aus.130
Und noch 1962 wird Kraus das Manko beklagen, die österreichische Literatur
habe „keinen wirklich durchschlagkräftigen Verlag im eigenen Land“.131
2.2 Resümee
Hilde Spiel hat zur Ausdifferenzierung des Literaturbetriebs nach 1945 folgen-
des festgestellt:
Das erste Vierteljahrhundert nach Kriegsende hatte, morphologisch gesehen, im
Verlauf eines dialektischen Prozesses, eines Sich-gegenseitig-Hochschaukelns eta-
blierter und progressiver Literatur, zu einer für das kleine Österreich beachtlichen
Fülle von Hervorbringungen geführt. Entscheidend war dabei, daß Welle um Wel-
le neu aufgetauchter Autoren in vergleichsweise kurzer Zeit zu den ‚Offiziellen‘
gerechnet wurden, gleichsam eingemeindet in die staatlich anerkannte und als
nationales Aushängeschild verwendete Kunst.132
Es sind also verschiedenste literarische Strömungen, rangierend von ästhe-
tisch-konventionell bis hin zu höchst avancierten Schreibweisen, die an die
Moderne anschlossen, auf relativ begrenztem geographischen Raum, die sich in
den ersten fünfzehn Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs entfalten konn-
ten, wobei letztere über kurz oder lang einem Kanonisierungsprozess unterwor-
fen wurden.
Aus der Beschreibung des Literaturbetriebs in Wien und den in zahlreichen
Forschungsbeiträgen immer wieder marginalisierten Bundesländern, wo es eben-
falls zu, meist (kurzlebigen), Initiativen kam, lässt sich konstatieren, dass das
literarische Feld äußerst fruchtbar war, da es an jungen Talenten und neuen Strö-
130 Ders.: Am Rande notiert. In: Die Presse, 12. November 1958, S. 6.
131 Ders.: Kulturelle Krise in Wien? Gefährliches Erbe und Sorgen um die Zukunft. In: Luzerner
Neueste Nachrichten, 2. März 1962.
132 Hilde Spiel: Die österreichische Literatur nach 1945, S.109.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
78 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437