Seite - 124 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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gab es „mehr Spannungen und Entfremdung als Harmonie und Verständnis“,
wie Walter Weiss festgestellt hat: „Zwischen Herbert Eisenreich, Ingeborg Bach-
mann, Christine Busta auf der einen Seite und Autoren wie Peter Handke, Micha-
el Scharang, G. F. Jonke auf der anderen Seite liegen Klüfte“.157
Zuletzt sei ein Vergleich mit dem Programm der „Alten Schmiede“ erlaubt, die
am 9. Juni 1975 ihr Programm mit einer Lesung von Friedrich Heer aufnahm.
Bis zum Ende der ersten Saison am 31.
Mai 1976 traten dort auf: Ilse Aichinger,
Peter Rosei, Barbara Frischmuth, Alfred Paul Schmidt, Jutta Schutting, Manfred
Chobot, Gustav Ernst, Friederike Mayröcker, Werner Kofler, H.
G. Adler, Elfrie-
de Jelinek, Peter Henisch, Andreas Okopenko, Elfriede Gerstl, Josef Haslinger,
Herbert Wimmer, Wolfgang Bauer, Gernot Wolfgruber, Karl Wiesinger, Kurt
Benesch, Hermann Schürrer, Hans Lebert, Hans Heinz Hahnl, Ernst Jandl, Chris-
tine Busta, auch Residenz war mit dem neuen Roman von Gerhard Amanshau-
ser vertreten, und auch Michael Scharang, Peter Marginter, Christine Nöstlinger,
Gert Jonke, Gerhard Rühm, Gerald Bisinger, Doris Mühringer, Marie-Thérèse
Kerschbaumer, Helmut Zenker und Fritz Hochwälder waren zu Gast.158 Bis auf
wenige Autorinnen und Autoren (Haslinger, Kerschbaumer und Nöstlinger)
waren, wenngleich nicht in dieser Konzentration, alle anderen bereits in der
ÖGL aufgetreten.
3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur
Eine Vielzahl von Veranstaltungen waren einer „österreichischen Literatur“ ver-
pflichtet, insofern beteiligte sich die ÖGL dadurch am Prozess des Nationbuil-
ding der mittlerweile 15 Jahre alten Zweiten Republik. Dass inzwischen die Fra-
ge, „ob es eine österreichische Literatur gebe, […] schon in die Jahre gekommen
und daher verdientermaßen auch schäbig geworden“ sei, hat Schmidt-Dengler
konstatiert, und sie werde „in bezug auf mangelnde Präzision lediglich von der
Frage: ‚Was sind die Besonderheiten der österreichischen Literatur?‘ übertrof-
fen.“159 Zu Beginn der 1960er Jahre war diese Diskussion aber virulent und
brandaktuell. Gründe waren die nach 1945 mit dem „Wiederaufbau“ der öster-
reichischen Nation einhergegangenen Bestrebungen einer „Reaustrifizierung“,
157 Walter Weiss: Die Literatur der Gegenwart in Österreich. In: Manfred Durzak (Hg.): Die deut-
sche Literatur der Gegenwart. Aspekte und Tendenzen. Stuttgart: Reclam 1971, S. 386–399,
hier S. 396.
158 Vgl. Kunstverein, Wien, Literarisches Quartier (Hg.): 25. Jahre Literaturprogramm. Übersicht
Juni 1975–Juli 2000. Wien: Kunstverein Wien 2000, S. 23 f.
159 Schmidt-Dengler: Bruchlinien, S. 15.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
124 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437