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Als Beitrag zur „Erinnerungskultur“ wollte die ÖGL (11) Gedenktafeln an
Geburts-, Wohn- und Sterbehäusern prominenter österreichischer Autorinnen
und Autoren anbringen lassen.
In ihrer Funktion als Vermittler nach außen, d. h. v. a. in die Bundesrepublik
Deutschland, wirkte die ÖGL (12) als Ansprechpartner für ausländische Jour-
nalistinnen und Journalisten, Literaturkritikerinnen und -kritiker sowie Auto-
rinnen und Autoren, um diese über die österreichische Literatur zu informieren
sowie als (13) Kontaktvermittler, um Begegnungen zu vereinbaren.
Auch der literarisch (interessierte) Nachwuchs sollte vom Programm der ÖGL
profitieren: (14) Mittelschülerinnen und Mittelschüler sollten mit der neueren
österreichischen Literatur vertraut und in Lesungen und Diskussionen mit den
Autorinnen und Autoren sowie Persönlichkeiten des literarischen und kulturel-
len Lebens bekanntgemacht werden.
Für Kraus selbst waren vor allem drei Motive, die mehr oder weniger mit der
österreichischen Kulturpolitik zusammenhingen, für die Gründung der ÖGL
ausschlaggebend. Kraus erachtete es als zentral, „die Emigranten von 1938 […]
wenigstens zu Lesungen und kurzen oder längeren Aufenthalten nach Wien“
einzuladen, „die Autoren der sogenannten ‚Nachfolgestaaten‘, vor allem aus den
kommunistischen Ländern“, sollten dort ein Forum finden und „die jungen
österreichischen Schriftsteller“63 einem breiteren Publikum vorgestellt werden.
3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL
An dieser Stelle soll die Einladungspolitik der ÖGL hinsichtlich österreichischer
Schriftstellerinnen und Schriftsteller näher beleuchtet werden, aber nicht in
einem quantitativen, aufzählenden Verfahren, sondern vielmehr aus der Pers-
pektive der literarischen Strömungen, sich dabei an geläufigen literaturgeschicht-
lichen Einteilungen orientierend sowie an Kategorien der Kanonbildung.64
Unter dem offenen Begriff „Einladungspolitik“, mit dem selektive Kriterien
assoziierbar sind, da die „Einladungen“ nicht unbedingt voraussetzungslos vor sich
gingen, sondern immer auch kulturpolitische Aspekte implizierten, sollen im Fol-
genden die Ein- und Ausschlüsse, aber auch Tendenzen hinsichtlich eines „Über-
hanges“ gewisser Strömungen der österreichischen Literatur untersucht werden.
63 Wolfgang Kraus: Wir vermissen Sie. Zu einem Symposion österreichischer Emigranten in der
Literaturgesellschaft, ms. Ts., NL WK. Vgl. auch Dokumentationsstelle für neuere österreichi-
sche Literatur (Hg.): Leben mit österreichischer Literatur. Begegnungen mit aus Österreich
stammenden amerikanischen Germanisten, 1938/1988. Wien: Dokumentationsstelle für neu-
ere österr. Literatur 1990, S. 1–4, hier S. 1.
64 Das Veranstaltungsprogramm der ÖGL ab 1961 ist online abrufbar unter http://www.ogl.at/
archiv/ und wurde für die Analyse herangezogen [zuletzt aufgerufen am 15.1.2020].
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
98 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437