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104 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Wie wichtig den Bezirksausschüssen diese Angelegenheit war, aber auch mit wel-
cher Vehemenz sie ihre den Auffassungen des Landrichters und des Generallandes-
kommissariats zuwiderlaufenden Interessen vertraten, zeigte sich knapp zwei Monate
später. Nachdem ihrer am 8. Januar 1807 dem Generallandeskommissariat über-
mittelten Bitte noch nicht in ihrem Sinne stattgegeben worden war, wandten sie
sich am 1. März direkt an den König.211 Die Argumentation in dem Schreiben, das
von zwei bevollmächtigten, in München ansässigen Stubaier Händlern212 bei Hofe
eingebracht wurde, ist größtenteils dieselbe wie in dem erwähnten Bittschreiben an
das Generallandeskommissariat vom Januar.213 Allerdings üben die Gemeindever-
treter diesmal auch ganz dezidiert Kritik an Landrichter Johann von Lama. Dieser
sei schuld an der Resignation von Stolz’, habe er ihm doch zur Auflage gemacht,
sich wöchentlich zwei Tage lang in Innsbruck am Landgericht aufzuhalten, was für
den ohnehin kränklichen Aktuar zu viel der Strapazen bedeutet hätte. Noch weit
schwerer wogen jedoch wohl zwei weitere Vorwürfe. Erstens habe sich von Lama mit
seiner Entscheidung, kein ständiges Aktuariat in Schönberg zu belassen, über eine
königliche Anweisung hinweggesetzt, zweitens habe er eigenmächtig Gerichtsakten
211 Vgl. Vorstellung der Stubaier Gemeinden an König Maximilian I. Joseph, 1. März 1807, TLA, GLK
für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
212 In seiner Beantwortung der Fragen des „Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol“ (vgl. Anm.
196), nimmt Joseph von Stolz Bezug auf das System der Stubaier Handelskompanien: „[…] so z. B.
ist die Compagnie Hofer, und Triendl in der Haupt Stadt München etabliert, wo sie fort, und fort
einen offenen Laden, oder Gewölbe hat. Das ganze Jahr hindurch hält sich dort ein Kamerad auf,
während die übrigen theils ihrer Landwirtschaft obliegen, und die Waaren Einkäufe besorgen helfen,
theils anderwärts die Stadt, und Land Märkte abhalten, und besuchen. […]“ (Vgl. Joseph von Stolz
beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D., Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammenge-
stellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil B; sowie: Vollmacht der Stubaier
Gerichtsausschüsse für Martin Hofer und Martin Triendl, 23. Februar 1807, TLA, GLK für Tirol,
Karton Nr. 7, V/I/DI/1.)
213 In insgesamt sieben Punkten argumentieren die Stubaier gegenüber dem König, warum ein ständi-
ges exponiertes Aktuariat, besser noch ein eigenes Landgericht, unbedingt nötig sei. Zum Beispiel
würde allein der Weg nach Innsbruck bis zu elf Stunden in Anspruch nehmen. Die Erledigung von
Amtsgeschäften würde folglich bis zu drei Tagen in Anspruch nehmen und mit horrenden Kos-
ten für Verpflegung und Logis verbunden sein. Besonders „der Landmann“, also die bäuerliche
Bevölkerung, könne sich das nicht leisten. Außerdem seien die Metallwarenerzeuger und -händ-
ler bei Vertragsabschlüssen und Ähnlichem häufig auf die Leistungen der gerichtlichen Obrigkeit
angewiesen. Schließlich gebe es auch für den Staat negative Auswirkungen, in zweierlei Hinsicht:
Erstens könnte die verarmende Landbevölkerung die anfallenden Steuern und Abgaben nicht mehr
bezahlen, zweitens würden die „Gerichtstaxen“, die zur Besoldung des Amtspersonals aufgewendet
würden, zunehmend ausfallen. (Vgl. Vorstellung der Stubaier Gemeinden an König Maximilian I.
Joseph, 1. März 1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1; sowie: Bittschreiben der Stu-
baier Bezirksausschüsse an das Generallandeskommissariat für Tirol, 8. Januar 1807, TLA, GLK für
Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435