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108 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
die Michael Pfurtschellers.226 In ihrer Bittschrift an den König bemühen sich die
Verfasser jedenfalls darum, ihr Ansinnen ins rechte Licht zu rücken. Hinter dem
Ansuchen stünden „nicht etwa Bequemlichkeit der Gemeinden des Bezirks Stubay,
nicht derselben Anhänglichkeit an der vorigen Einrichtung, auch nicht gefaßtes Vor-
urtheil wider Neuerungen“.227 Jedenfalls standen die Stubaier mit ihren Beschwerden
und Bitten nicht alleine da. Eine ganze Reihe von Gerichten zeigte sich mit der
neuen Sprengeleinteilung unzufrieden. Wohl weniger aufgrund dieser Bittschreiben,
als vielmehr aus pragmatischen Überlegungen – die vergrößerten Landgerichte wa-
ren personell unterbesetzt und konnten das vermehrte Geschäftsaufkommen nicht
zufriedenstellend bewältigen – wurde die Landgerichtseinteilung nach dem Ende des
Aufstandes 1809 in zwei Schritten überarbeitet.228 Mit dem königlichen Reskript
vom 31. August 1810 wurde schließlich für das Stubaital die Einrichtung eines Land-
gerichtes dritter Klasse mit Sitz in Schönberg bestimmt.229 Als Richter wurde am
1. Oktober 1810 wiederum Joseph von Stolz230 eingesetzt,231 der bereits am 7. Mai
1810 abermals zum exponierten Aktuar des Landgerichtes Innsbruck in Schönberg
ernannt worden war.232 Er blieb Landrichter für das Stubaital bis Ende Oktober 1812
und tauschte dann seine Dienststelle mit Quirin Schieder, bis dahin Stadtgerichtsas-
sessor in Innsbruck.233
226 Vgl. Stellungnahme der Gemeinde Fulpmes an das LG Innsbruck, 18. Januar 1807, TLA, GLK für
Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
227 Vorstellung der Stubaier Gemeinden an König Maximilian I. Joseph, 1. März 1807, TLA, GLK für
Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
228 Vgl. Dörrer, Verwaltungssprengel, 1958, S. 114–120; sowie: Schennach, Revolte, 2009, S. 229.
229 Das königliche Reskript vom 31. August 1810 sah drei verschiedene Klassen von Landgerichten vor.
Die Einstufung erfolgte in erster Linie aufgrund der Einwohnerzahlen der betreffenden Gerichte,
es sollten jedoch auch „der Umfang des Bezirkes, die Wohlhabenheit der Einwohner und andere
auf die Menge und Wichtigkeit der Geschäfte einfließende Umstände beachtet werden“. Die dritte
Klasse war für Landgerichte mit weniger als 7000 Einwohnern vorgesehen. Die Zugehörigkeit zu
einer Klasse hatte vor allem Auswirkungen auf die personelle Ausstattung eines Landgerichtes. Ein
Landgericht dritter Klasse beschäftigte neben dem Landrichter noch einen Gerichtsschreiber. (Vgl.
K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 53, 13. Oktober 1810, Sp. 913–931, hier: Sp. 914, 915 u. 921.)
230 Hier ist es in der königlichen Bekanntmachung zu einer Verwechslung hinsichtlich des Vornamens
von Stolz’ gekommen. Es ist von Michael von Stolz die Rede. (K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 56, 17. Ok-
tober 1810, Sp. 1006.) Michael war jedoch lediglich der zweite Vorname des Joseph von Stolz. (Vgl.
Granichstaedten-Czerva, Die bayerischen Landrichter, 1962, S. 284.)
231 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 56, 17. Oktober 1810, Sp. 1006. – Als Amtsschreiber wurde ihm Jo-
hann Mayerhofer aus Innsbruck zur Seite gestellt, als Gerichtsdiener wurde Joseph Peer aus Landau
angestellt, als Gerichtsdienerknecht Thomas Zingerle aus Völs. (Vgl. Qualifikationstabelle LG Stu-
bai, 20. Januar 1811, TLA, Generalkommissariat des Innkreises, Karton Nr. 14, 3/I/F-I/2a (1. Teil).)
232 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 24, 23. Mai 1810, Sp. 422.
233 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1812, Nr. 63, 14. November 1812, Sp. 1907. – Quirin Schieder übernahm das
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435