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110 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
„Wiener Bankozettel“.236 „Die Nothwendigkeit, das bisher kursierende Papiergeld
aus dem Lande zu schaffen und nur baares Geld in Umlauf zu bringen, ist allge-
mein anerkannt“, heißt es im Königlich-Bayerischen Regierungsblatt vom 16. Juli
1806. Da dies jedoch nicht so ohne Weiteres auf der Stelle zu vollziehen sei, soll-
ten vorerst die Bankozettel im Umlauf bleiben, jedoch mit drastisch herabgesetz-
tem Wert. Dieser wurde auf zwei Prozent unter dem wöchentlich zu berechnenden
Augsburger Wechselkurs festgesetzt.237 De facto bedeutete dies einen Wertverlust
von beinahe 50 Prozent.238 Diese Verordnung zeigte Wirkung, war jedoch nur als
vorübergehende Regelung gedacht. Mit 1. Oktober 1807 sollte ausländisches Geld
überhaupt außer Kurs gesetzt werden. Tatsächlich jedoch war bereits Mitte August
1806 „der größte Teil der Banco-Zettel aus dem Verkehr verschwunden“, so Hel-
mut Gritsch.239
Für die Bevölkerung brachte die Währungsreform Vorteile und Nachteile, wobei
Letztere überwogen. Nutznießer waren vor allem Gläubiger und Konsumenten. Die Le-
bensmittelpreise sanken, Schulden, die seit 1797 aufgenommen worden waren, muss-
ten nun in neuer, harter Münze zurückgezahlt werden. Die bayerische Regierung hatte
nämlich „darauf vergessen“, auch die in Papiergeld aufgenommenen Schulden abzuwer-
ten. Dementsprechend hatte die Währungsreform für Schuldner und Nahrungsmittel-
produzenten, viele Bauern waren als Kreditnehmer gleich zweifach betroffen, negative
Auswirkungen.240 Josef Hirn zitiert in seinem 1809-Werk einen Bericht des General-
236 Gottlieb Hufeland, Professor der Rechte an der Universität Landshut, erklärt in der Einleitung für
sein am 31. März 1807 erstelltes „Rechtliches Gutachten über die Entscheidung der durch die He-
rabwürdigung der Bankozettel in Tirol entstandenen Rechtsstreitigkeiten“ prägnant und treffend,
wie sich die Bankozettel zum Problem entwickelt hatten. Trotz des offensichtlichen Wertverlustes
des Papiergeldes gegenüber dem Münzgeld habe man am Nennwert der Banknoten festgehalten und
die Verpflichtung auferlegt, selbige zu ihrem Nennwert auch anzunehmen. Dem wurde auch Folge
geleistet, nur wurden eben die Preise drastisch erhöht. (Vgl. Gottlieb Hufeland, Rechtliches Gut-
achten über die Entscheidung der durch die Herabwürdigung der Bankozettel in Tirol entstandenen
Rechtsstreitigkeiten, Landshut 1807.)
237 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1806, Nr. 29, 16. Juli 1806, S. 235 f. – Vgl. auch: Helmut Gritsch, Die Aus-
wirkungen finanzpolitischer Regierungsmaßnahmen in Tirol auf das Verhältnis führender Stände-
vertreter zu Bayern, in: Die Alpenländer zur Zeit Napoleons. Protokoll des 4. Historikerstages der
ARGE-ALP in Hall in Tirol, 3.–5. Oktober 1984 (Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs 5),
Innsbruck 1985, S. 122–135, hier: S. 129 f.)
238 Nach der Kurstabelle vom 1. Juli 1806 erhielt man für einen Gulden Wiener Bankozettel nur noch
32 ½ Kreuzer Tiroler beziehungsweise 31 Kreuzer Wiener Währung. (Vgl. Gritsch, Auswirkungen
finanzpolitischer Regierungsmaßnahmen, 1985, S. 129.)
239 Vgl. ebd., S. 129 f. – Andreas Oberhofer weist allerdings darauf hin, dass auch im Jahr 1809 offenbar
noch „genügend“ österreichische Banknoten im Umlauf waren. (Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer,
2009, S. 271.) Ob diese jedoch auch als Zahlungsmittel akzeptiert wurden, sei fraglich.
240 Vgl. Gritsch, Auswirkungen finanzpolitischer Regierungsmaßnahmen, 1985, S. 130.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435