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406 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Michael Pfurtscheller profitierte also in gewisser Hinsicht als Verleger von der all-
gemeinen wirtschaftlichen Krisenlage des frühen 19. Jahrhunderts, die auf der ande-
ren Seite auch ihn im Absatz seiner Handelswaren behinderte. Erstens war die Krise
eine Grundvoraussetzung für die Verbreiterung und Vertiefung seines Verlagssystems
in Fulpmes durch die beschriebene zunehmende Abhängigkeit vieler Produzenten.
Zweitens verhalfen ihm die bereits erwähnten Konkurse, Zwangsversteigerungen und
Notverkäufe – wobei Pfurtscheller zumeist als Hauptgläubiger auftrat – dieser Zeit
dazu, seinen Realitätenbesitz – landwirtschaftliche Gründe, Wohnbehausungen und
Schmiedewerkstätten – in einem Maß ausbauen zu können, wie es ihm sonst wohl
nicht möglich gewesen wäre.167 Betrug der Wert der in den Verlassenschaftsabhand-
lungen seines Vaters Matthäus Pfurtscheller und seines Stiefbruders Franz Volderauer
an ihn übergegangenen Realitäten rund 10.000 Gulden,168 waren 1844, zum Zeit-
punkt der Vermögensübergabe Michael Pfurtschellers an seine Söhne Johann und
Franz, Immobilien im Wert von über 42.000 Gulden vorhanden.169 Davon lassen
sich Realitäten im Wert von über 21.000 Gulden direkt auf Zugewinne aus Zwangs-
versteigerungen oder Käufe von hoch verschuldeten Fulpmern zurückführen – dar-
unter waren beispielsweise auch zwei Hammerschmieden170 sowie das „Kraner-“171
und das „Kamplerhaus“172, zwei heute noch das Dorfbild von Fulpmes prägende
Gebäude.
Dass diese Entwicklungen von einigen Zeitgenossen Pfurtschellers bereits kritisch
beobachtet wurden, hielt Andreas Alois Dipauli als erster fest. Die von ihm aufgeschrie-
Blasius Pfurtscheller und der zweite Verleger im Tal, Leitgeb, würden das gesamte erhältliche Hirsch-
horn – ein Werkstoff, den die Messerschmiede zur Fertigung der Schäfte ihrer Messer benötigten
– aufkaufen und ihnen dann zu Wucherpreisen weiterverkaufen. (Vgl. [Landesgubernium] an Hof-
gericht Stubai, 16. Dezember 1766, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 28, 17./18. Jahrhundert,
Abt. „Gewerbe, Schmiede, Müller, Sanität“.)
167 Eine darauf abzielende Intention Pfurtschellers zu unterstellen wäre jedoch Spekulation. Schließlich
war der Kauf von Realitäten im Zuge von Konkursversteigerungen für ihn auch eine Möglichkeit,
einem völligen Kreditausfall entgegenzuwirken.
168 Vgl. Verlassenschaftsabhandlung Matthäus Pfurtscheller, 5. Dezember 1799, TLA, VB Stubai,
34/230, Bl. 355–365; sowie: Verlassenschaftsabhandlung Franz Volderauer, 18./19. August 1812,
TLA, VB Stubai, 34/245, Registerteil 2, Bl. 108–145.
169 Vgl. Vermögensübergabe Michael Pfurtscheller – Johann und Franz Pfurtscheller, 30./31. Oktober
1844, TLA, VB Stubai, 34/318, Bl. 692–712, hier: Bl. 704 v.
170 Vgl. Konkursmasseversteigerung Jakob Markt, 18. Mai 1815, TLA, VB Stubai, 34/249, Bl. 174–177;
sowie: Konkursmasseversteigerung Georg Holzmeister, 28. März 1834, TLA, VB Stubai, 34/298, Bl.
229–233.
171 Vgl. Konkursmasseversteigerung Ehepaar Kapferer, 4. Juli 1814, TLA, VB Stubai, 34/247, Bl. 188–
190.
172 Vgl. Konkursmasseversteigerung Johann Siller, 4. Juni 1831, TLA, VB Stubai, 34/290, Bl. 255.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435