Page - 55 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 55 -
Text of the Page - 55 -
Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 55
Nonnenkloster Petroutz erwirkte einen vorläufigen Aufschub und wurde zu Lasten des
Religionsfonds auf einen Aussterbeetat gesetzt.68 Dieser Entscheidung waren zum Teil
heftig geführte Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien vorangegangen. Im
März 1784 legten die Igumen der Klöster Putna, Suczawica, Dragomirna, Solka und
Woronetz bei der Landesverwaltung Protest gegen das Vorhaben der Klosterauflösung
wie Kirchenregulierung ein und baten gleichzeitig um die Erlaubnis, geschlossen in die
Moldau auswandern zu dürfen. Gegen den Willen Enzenbergs betrieb der Hofkriegsrat
zunächst eine Politik des Lavierens, die darauf hinauslief, die ›widerspenstigen‹ Igumen
von ihrem Dienst zu suspendieren. Joseph II. konnte dieser Haltung zwar nichts abge-
winnen, wollte aber einmal eingeleitete Maßnahmen nicht mehr rückgängig machen,
um weitere Verstimmungen hintanzuhalten.69 Dennoch merkte er in seiner Resolution
kritisch gegenüber seiner Behörde an, dass mit »einem solchen Volke keine Umwege
gesucht werden müssen, sondern man muß dem klar und deutlich sagen, was man ha-
ben will, um bei demselben nicht Mißtrauen, Widerwillen und endlich wohl gar Wi-
derspenstigkeit entstehen zu machen«.70 Obwohl ein Massenabzug der Mönche aus der
Bukowina letztlich ausblieb, entschieden sich doch einige mit der Auflösung der Klöster
und Beschränkung der Anzahl von Mönchen, sofern sie sich nicht der Weltgeistlichkeit
zuwandten, in moldauische Klöster jenseits des Cordons einzutreten.71
In der Umsetzung der weitreichenden Klosterauflösung war Wien von Beginn an auf
eine peinliche Trennung der Religionskasse
– die unbedingt vor Ort bleiben sollte
– von
Existenz besaßen. Zum anderen wurden schon vor 1783 Klöster aufgehoben und in den Quellen
nicht immer klar zwischen beiden Klosterformen unterschieden. 1780 : 26 (DACZ 29/1/8 Ausweiß ;
s. Anm. 20) ; Balsch : 26 Basilianerklöster (ANR-B HKR V/20/1780 Vortrag a. Kaiser) ; ebenso viele
nennt eine zeitgenössische Statistik ; Anonymus 1779, Karte ; Enzenberg : 21 (zit. nach Zieglauer
1893, Bilder I, 52) ; ein späterer Bericht des HKR zählt neun Männer- und ein Frauenkloster, von
denen drei beibehalten wurden, alle Skiten kamen zur Auflösung ; ANR-B HKR XXII/94/1786 ;
Kaindl gibt 31 Klöster vor der Regulierung an (1896, Kaiser, 12), Onciul kommt auf 25 (13 davon
Skiten, plus das in Galizien gelegene Groß-Skit ; (1891, Fondul, 4f.) ; Onciul folgt den Angaben von
Pumnul (1865, Privire, 9f.) ; Ceauşu zählt 20 (2008, Reformen, 59) und bezieht sich darin vermut-
lich auf Nistor, der neun große und elf kleinere Klöster erwähnt (2003, Istoria, 12) ; letztere An-
gabe dürfte wiederum dem zitierten Bericht des HKR entsprechen. Bei Pahomi werden
– allerdings
für 1775 und ohne nähere Quellenangabe – 17 Klöster, 15 Skiten und vier Einsiedeleien (sowie 247
Kirchen) ausgewiesen (1998, Reforma, 67).
68 Zieglauer (1893) Bilder I, 152. 1785 lebten in Petroutz noch 14 Nonnen, DACZ 29/1/42 Copia
Einer Hof Kriegs Räthl. Verordnung Wien v. 15.X.1785, fol. 10f.
69 ANR-B HKR XIII/18/1784, ausführlich dargestellt bei Zieglauer 1897, Bilder IV, 157–205, bes.
174ff.
70 Zit. nach Zieglauer 1897, Bilder IV, 191.
71 Wickenhauser 1890, Molda IV, 107 ; Iorga 2011, Istoria vol. 2, 182.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439