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Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 61
klagte Güternutzung bis ins Jahr 1802 verfolgen.92 Das Pachtdilemma in der Bukowina
wird noch 1804 ausführlich als ein grundlegendes Gebrechen der Bukowina geschil-
dert, »denn die Pächter, dessen (sic !) Gewinnsucht der Bukowiner Unterthan nach dem
allgemeinen Loose dieses Ländchens geopfert ist, finden ihr ganzes Interesse in dem
größtmöglichen Vortheile des Augenblickes, und ganz und gar kein Interesse in der
künftigen Wohlfahrt ihres momentanen Unterthans !«.93 Die allgemeine wirtschaftliche
wie politisch prekäre Situation des Habsburgerreiches begünstigte zudem – vor allem
während der ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts – kaum die dringend nöti-
gen Reformschritte.
Ein eigenes Problem stellten die Herrschaften der moldauischen Geistlichkeit bzw.
Kirche in der Bukowina dar. Ein erster Versuch Enzenbergs, über den Bischof von Ra-
dautz beim Metropoliten in Jassy einzuwirken und »demselben die Billigkeit begreiflich
zu machen, damit der Hr. Metropolit diese Güter, da selbe zur Kirche in Sucawa gehö-
ren, anher abtrete«, musste schon allein wegen der von Wien politisch unabhängigen
Stellung des Metropoliten erfolglos bleiben und offenbarte die Komplexität dieser Ver-
handlungen, zu denen eine gewichtige außenpolitische Komponente hinzukam.94 Auch
die von Joseph II. geforderte Einziehung von Gütern, die Geistlichen gehörten, welche
im Fürstentum Moldau lebten, konnte in dieser Form nicht durchgesetzt werden.95 Die
von Wiens eingebrachte Unterscheidung zwischen in der Bukowina gelegenen Gütern
des Adels und solchen der Kirche, die in der Moldau ihren Sitz hatten – erstere sollten
ihren Besitz behalten, wohingegen jener der Kirche einzuziehen war – sowie der Stand
ihrer letztlichen Realisierung, lassen sich in ihrer tatsächlichen Wirkung jedoch nicht
mehr eindeutig rekonstruieren. Dementsprechend unklar bleibt das Schicksal des Besit-
zes der Metropolie von Jassy. Dieser wäre – so nicht der Metropolit als adliger Grund-
herr auftrat – nach Meinung des Hofkriegsrates »in das Eigentum des Landesfürsten«
zu ziehen gewesen.96 Die Beantwortung dieser Frage muss hier allerdings offen gelassen
werden.
92 ÖSTA-HHSTA Faßbender Karton 4 X/4, fol. 648, 683, 712 u. 723 ; auch Kaindl weist die Nutzungs-
streitigkeiten zwischen Ansiedlern und dem Pächter Lezzeny nach ; Kaindl 1896, Entstehen, 56
(288).
93 Staatsarchiv L’viv 146/4/911 Relation, fol. 14, 22ff. u. bes. 26ff., (s. Anm. 58).
94 Enzenberg a. Bischof v. 23.IX.1782, zit. nach Wickenhauser 1890, Molda IV, 63f.
95 ÖSTA-HHSTA Kabinettskanzlei Bd. 27 (1783), 440, a. Hadik Czernowitz v. 19.VI.1783.
96 ANR-B HKR VI/48/1781 Protokoll 14. Sitzung d. Staatsrates v. 12.VI.1781, fol. 29.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439