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Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19. Jahrhunderts 91
turelle Kapitalmangel verstärkte sich in der Folge indes noch mehr, zudem fehlte es vor-
erst an nötigen wie geeigneten rechtsstaatlichen Instrumentarien. Grundbücher etwa
wurden in Cisleithanien erst 1871 eingeführt.14 Immerhin bot die 1856 flächendeckend
abgeschlossene (seit 1819 mit Unterbrechungen gelaufene) Katastralvermessung eine
solide Grundlage für weitere Reformschritte in diese Richtung.15 Erst 1863 – die für
die Grundentlastung in der Bukowina zuständigen Organe hatten ohnedies spät ihre
Tätigkeit aufgenommen16 – griff der Staat ein und stellte die dafür dringend benötigten
Finanzmittel bereit.17
Die wachsende Belastung der früheren Grundobrigkeit resultierte zunächst in einer
extensiven Bewirtschaftungsform vieler Gründe, zumeist auf Basis von Pachtverhältnis-
sen bei gleichzeitig äußerst geringer Investitionsbereitschaft. Auch die Bauern vermoch-
ten ihre gewonnenen Freiheiten ebenso wenig zu nutzen und konnten sich kaum in der
zur Verfügung stehenden Zeit den geänderten Verhältnissen anpassen.18 So gelang es
der Bukowina nur teilweise, an den ›goldenen Jahren‹ der europäischen Landwirtschaft
im letzten Viertel des Jahrhunderts, vor dem Einsetzen eines allgemeinen Preisverfalls
durch die überseeische Konkurrenz, zu partizipieren. Auf Bedeutung wie Folgen derar-
tig hemmender Tendenzen und institutioneller Schwächen der vormaligen Agrarver-
fassung als auch auf die latente Persistenz vorherrschender Mentalitäten, die letztlich
ein vollständiges Ausschöpfen der Modernisierungsressourcen
– wie sie etwa die Grun-
dentlastung bot
– entscheidend verzögerte, wird auch in anderen Teilen der Monarchie
verwiesen.19 Vielfach benötigte die reale Verbesserung dieser Verhältnisse Jahrzehnte.
Den Zugang sowie die Möglichkeiten gewinnbringender Nutzung land- und fortwirt-
schaftlicher Innovationen vermochten sich in der Bukowina – aber auch hier nur unter
erheblichen Schwierigkeiten – noch am ehesten Großgrundbesitzer wie der Religions-
fonds zu erschließen, »während bei der Masse der Bevölkerung die Bodencultur [nur]
einen geringen Grad von Entwicklung« aufwies.20 Eigens aus diesem Umstand heraus
ins Leben gerufene Institutionen wie beispielsweise der 1851 gegründete Verein für
Landescultur und Landeskunde im Herzogthume Bukowina arbeiteten hartnäckig an der
systematischen Verbreitung neuer landwirtschaftlicher Kenntnisse.21 Auch hatte man
14 RGBl. Nr. 95 v. 25.VII.1871 über die Einführung eines allgemeinen Grundbuchgesetzes.
15 Rumpler & Scharr (Hg.) 2015, Kataster.
16 RGBl. Nr. 234 v. 23.X.1853 betreffend die Durchführung der Grundentlastung im Herzogthume Buko-
wina.
17 Grünberg 1901, Studien, 98.
18 Zachar et al. 1901, Entwickelung, 50ff.; im Überblick Dinklage 1973, Entwicklung, 410ff.
19 Für Kärnten vgl. Drobesch 2013, Agrarverfassung(en), 16.
20 Handels-Ministerium (Hg.) 1854, Mittheilungen, 24 und 69.
21 Handels-Ministerium (Hg.) 1854, Mittheilungen, 71.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439