Page - 105 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 105 -
Text of the Page - 105 -
Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19. Jahrhunderts 105
Nachfolge das spätere Finanzministerium. Mit den Reformen im Umfeld der Grundentlas-
tung stellte sich auch die Frage einer Eigentumsneustrukturierung. Dementsprechend legte
eine Ministerialkommission dem Religionsfonds den Ankauf der Kameraldomäne Zuczka
nahe, was zwar rechtlich eine Änderung darstellte, aber hinsichtlich der realen Verfügungs-
gewalt darüber keine Auswirkungen hatte. Bei der Domäne Kimpolung allerdings wollte
sich der Staat offenbar den unmittelbaren Zugriff vorerst noch sichern. Hier argumentierte
man vor allem mit notwendiger Sorgfalt, derer die Waldungen dieser Herrschaft bedurften,
der anwachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Holzhandels und mit den fortdauern-
den Rechtsstreitigkeiten des dortigen Bergwerksbetreibers Manz.71 Im Falle von Kimpol-
ung sollte es noch bis 1870 dauern, wo in der Folge des Übergangs der Bergwerke auch die
ursprüngliche Kameralherrschaft an den Religionsfonds abgetreten wurde.72 Damit setzte
eine Arrondierung ein, welche die Dominanz des Religionsfonds innerhalb der Bukowina
zusätzlich bekräftigte. Dem Staat indes gelang es dergestalt, sich – zugunsten des Fiskus –
elegant der unmittelbaren Verwaltung zu entledigen, ohne dabei gänzlich auf seinen Einfluss
verzichten zu müssen. Letzteren konnte Wien ja weiterhin indirekt über den Fonds geltend
machen. Wie auch immer, die Kosten dafür hatte freilich der Religionsfonds zu bestreiten.
Die damit umgesetzte weitgehende Übertragung ursprünglicher Staatsforste (i.e. des
moldauisch Kimpolunger Gebietes) führte im Südwesten des Kronlandes zu einem nahezu
geschlossenen, fast flächendeckenden Besitzstand des Religionsfonds (vgl. Abb. 8). Noch
deutlicher wird seine ökonomische Rolle für die Bukowina, wenn man etwa die kartographi-
sche Detailaufnahme der Religionsfondsherrschaften Illischestie und Solka näher betrachtet.
Außerhalb der unmittelbaren Siedlungen und der sie umgebenden Flur dominierten hier in
wirtschaftlicher Hinsicht
– neben zumeist kleineren Wiesengründen, die auch in der Regel
dem Religionsfonds zuzurechnen waren – die Waldungen. Von den knapp 291.000 Hektar
an Gesamtfläche der beiden Herrschaften entfielen in Summe auf Grundstücke der darin
miteingeschlossenen Gemeinden lediglich 82.000, auf die Fondswaldungen hingegen fast
190.000 Hektar. Der Anteil an Wiesen, Weiden und Gärten, die dem Dominikalgrund der
Fondsherrschaften zugehörten, nahm sich indes mit knapp 19.000 Hektar vergleichsweise
bescheiden aus (vgl. Abb. 9). In der Nordbukowina glich der Fondsbesitz damit mehr einer
Streulage mit lokalen Schwerpunkten (etwa bei Krasna Putna oder Kuczurmare). Verein-
zelt besaß der Religionsfonds hier auch kleinere landwirtschaftlich genutzte Gründe (vgl.
Abb.
10).
71 ÖSTA-FHKA Präs. FM Beilagen ad Zl. 19483, Protocoll aufgenommen zu Kimpolung am 25. Oktober
1856 ; Protocoll aufgenommen zu Czernowitz am 1. November 1856 ; Protokoll aufgenommen über die
bei der kk Finanz Landes Direction in Lemberg am 8. November 1856 gepflogene Berathung ; Vorsitz
Statthalter und Präsident der Finanzlandesdirektion A. Goluchowski.
72 Zu Manz vgl. Kap. 10 (Hebel strukturellen Wandels).
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439