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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 117
angelangt, resümierte Hackmann rückblickend : »Ich bin Bischof geworden, gerade in
der Epoche des Übergangs meiner Diözese von ihrem alten traurigen Zustande zu einer
besseren glücklicheren Periode.«6 Tatsächlich verkörpert Hackmann in seiner Person
eine ausgeprägte Phase der Transition für die gr.-orient. Kirche der Bukowina und den
Religionsfonds.
Im Kontext gesamtgesellschaftlicher Veränderungen zur Mitte des 19. Jahrhunderts
in der Habsburgermonarchie lässt sich diese Periode für die Bukowina in drei Schrit-
ten verdichten. Hatte noch wenige Jahrzehnte zuvor die josephinische Politik Religions-
freiheit mit administrativer Regulierung und Instrumentalisierung bzw. Loyalisierung
der Kirchen für die Anliegen des Staates verbunden, so forderten die Reformkräfte der
Revolution von 1848 – ungeachtet ihrer Heterogenität und ihrer teils sehr unterschied-
lichen Beweggründe – bereits eine breitere Laienbeteiligung innerhalb der Kirchenor-
ganisation ein.7 Letzteres Anliegen richtete sich, zweitens, indirekt gegen die zentrali-
sierende Kraft des Staates und zielte offen gegen die weitgehende Macht der Bischöfe
innerhalb der Kirchen. Das betraf vor allem die Orthodoxie, was besonders in der Dis-
kussion um die Einberufung eines Kirchenkongresses in der Bukowina evident wird. In
einem dritten Schritt, der weithin bis zum Ersten Weltkrieg bestimmend bleiben wird,
geriet die Loyalität der Kirchen gegenüber dem Staat in der Habsburgermonarchie zu-
nehmend seitens der wachsenden wie national geleiteten Forderungen ihrer Gläubigen
unter Zugzwang.8 Zusätzlich bezogen die – sich mit 1848 auch in der Bukowina artiku-
lierenden – nationalen Kräfte ihre Energie nicht nur aus der größer werdenden wirt-
schaftlichen Bedeutung des gr.-orient. Religionsfonds. Sie begannen vielfach auch, ihre
Ansprüche auf das in dieser Institution vermeintlich (und aus ihrer Perspektive eindeu-
tig rumänisch konnotierte) nationale Erbe als Eigentum auszuweiten.9
Auf den hierin bereits beispielhaft erkennbaren direkten Zusammenhang zwischen
Nation und Ökonomie wurde allerdings seitens der Nationalismusforschung zu Beginn
der 1980er Jahre für den Zeitraum vor 1918 nur vereinzelt Rücksicht genommen. Und
das, obwohl beide Felder – Nation wie Ökonomie – durch »ein breites Zwischenfeld so-
zialer, politischer, kultureller und psychologischer Vermittlungsinstanzen miteinander
verbunden« waren. Evident ist indes, dass die Ansätze der eingeleiteten kapitalistischen
Transformation in diesem Kontext weitestgehend nur dafür ausreichten, »die alten Viel-
völkerstaaten an ihren ethnischen Nahtstellen aufbrechen zu lassen«.10 Der Bukowiner
6 Hakmann 1864/1899, Sendschreiben, 200.
7 Schulze-Wessel 1998, Religion, 340 u. 348.
8 Schulze-Wessel 1998, Religion, 354 ; Schneider 2005, Metropolit, 207.
9 Turczynski 1976, Konfession, 257.
10 Jaworski 1982, Nationalismus, 185, 194f. u. 200.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439