Page - 140 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Image of the Page - 140 -
Text of the Page - 140 -
140 Die Institution: Struktur & Werte
die vergleichsweise erst spät durchgeführte Umstrukturierung sind mit einiger Wahr-
scheinlichkeit mit der generellen Lage der Bukowina als 19. Kreis Galizien-Lodomeri-
ens zu erklären. Es ist anzunehmen, dass die in Lemberg residierende und der Bukowina
seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert vorgeschaltete Guberniumsverwaltung in Ver-
bindung mit der dortigen Vorherrschaft der katholischen Kirche bzw. den polnischen
Interessen auch im Bereich der gr.-orient. Landeskirche nachteilig wirkte. Erst die Auf-
wertung zu einem autonomen Kronland, die Trennung der Verwaltung sowie die Ein-
richtung eines eigenen Landtages eröffneten auch hier neue Möglichkeiten.
Die vom Landtagsabgeordneten Hormuzaki mehr oder weniger unverblümt an die
Adresse der Landesregierung (und den Bischof ?) gerichtete Kritik am Bau des ›Feen-
palastes‹ – der neuen Residenz – brachte indes eine innerhalb der Bukowina Eliten
herrschende Uneinigkeit über die Mittelverwendung des Fonds zu diesem Zeitpunkte
zu Tage.92 Ein ausführlicher Bericht des gr.-orient. Konsistoriums argumentierte hinge-
gen gegenüber den verantwortlichen Wiener Stellen minutiös die seitens des Fonds als
dringend eingeforderten Investitionen.93 Mit der Pfarrregulierung von 1843 umfassten
die in den Religionsfonds gehörigen Ortschaften der Bukowina in Summe 85 Pfarren
sowie fünf Filialsprengel mit 84 Pfarr- und zwölf Filialkirchen. Betreut wurden diese
Seelsorgestellen von 85 Pfarrern, fünf Hilfspriestern und 16 Kooperatoren. Allerdings
verfügten nur 25 Pfarren über »aus hartem Materiale gemauerte Kirchengebäude«. Die
überwiegende Mehrheit von 60 Kirchen bestand aus »weichem Holze« und war aus der
Sicht des Konsistoriums höchst reparaturbedürftig. Ihre Errichtung lag in den 1860er
Jahren bereits Jahrzehnte zurück. Die Kirchenbehörden schilderten den Zustand dieser
Gotteshäuser als »hüttenartig und faßt durchgehends morsch und der Art zerüttet, daß
darin besonders zu Winterszeit die Abhaltung des Gottesdienstes mit Gefahr verbunden
ist, und sämmtliche nur durch Spreitzbalken gegen den gänzlichen Einsturz nothdürf-
tig bewahret werden«. In einer ähnlich schlechten Verfassung zeichnet das Konsisto-
rium die Unterkünfte der Seelsorger, letztere ›hausten‹ größtenteils mit ihren Familien
in einfachen Bauernhütten. Wenig besser stand es mit der materiellen Ausstattung der
Kirchen. Es fehlte an Büchern, liturgischen Gegenständen, Ikonen und anderem Kultus-
bedarf, sodass vielfach die Gemeinden in Eigenregie gezwungen waren hier auszuhelfen.
92 StenoProt, XVI. Sitzung, IV. Session, Bukowinaer Landtag am 8.II.1866, 249.
93 ÖSTA-AVA, Neuer Kultus NK Akath. gr.-or. K22, Entwurf betreffend die Bedürfnisse der griech. ori-
entalischen Kirchen- und Pfarrhausbaulichkeiten auf den Religionsfonds Gütern in der Buccowina (zu
datieren nach 1859, spätestens jedoch 1866) ; die Angaben im Folgenden beziehen sich unmittelbar
auf diesen Bericht, der von allen Konsistoriumsmitgliedern persönlich unterfertigt sowie von Hack-
mann vidiert wurde.
Open Access © 2020 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439