Page - 141 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 141
Das Konsistorium sparte gegenüber Wien nicht mit Kritik, zumal sich viele der
Bauvorhaben bereits geraume Zeit hinzogen und trotzdem »im Laufe so vieler Jahre
die wenigsten Resultate gedihen«. Der Religionsfonds hätte demnach für die gesamte
Bukowina seit 1786 für Neubau und Reparatur von Gebäuden, diverse Requisiten wie
Sakristeiauslagen (Kerzenwachs, Öl etc.) lediglich knapp 244.000 Gulden aufgewendet
(etwa 3.000 Gulden pro Jahr). Der durchschnittliche Bedarf pro Pfarre für die nötigsten
Arbeiten bzw. Anschaffungen beliefe sich hingegen auf 31.000 Gulden, also in Summe
auf über 1,8 Millionen Gulden. Argumentativ geschickt rechnete das Kirchengremium
dem die jährlichen Steuereinnahmen aus den Religionsfondsherrschaften sowie den
dazugehörigen Gemeinden in der Höhe von mehr als 97.000 Gulden gegen.94 Entspre-
chende Investitionen fehlten offensichtlich. So schließt der Bericht des Konsistoriums
denn auch »mit der erfreulichen Hoffnung […] da es dem Religionsfonde an Mitteln
nicht gebricht, [dass] die baldige Beseitigung aller geschilderten Mängel erfolgen wird«.
Wie schon im Falle der den Bischof persönlich betreffenden Wohnungsfrage, zeigt sich
auch bei den umfangreicheren Angelegenheiten der gr.-orient. Kirche, dass die Vor-
würfe der Landtagsabgeordneten nicht gänzlich einer realen Grundlage entbehrten oder
lediglich auf die Eigeninteressen der adeligen Grundherren, die vielfach wiederum dem
Fonds in der Schuld standen, zurückzuführen waren. Die staatlichen Behörden agierten
hier offensichtlich ebenso eigennützig. Galt ihnen die Kostenminimierung als Maxime,
so schien das vorwiegend die regelmäßig wiederkehrenden Forderungen des Konsisto-
riums oder des Bischofs zu treffen, wohingegen Ausgaben wie der Bau der Universität
in Czernowitz oder die Abgleichung von zusätzlichem, durch den Religionsfonds verur-
sachten Verwaltungsaufwand geradezu selbstverständlich aus den Mitteln des Fonds zu
finanzieren waren. Bereits früher hatte sich der Staat keineswegs gescheut, nicht unbe-
trächtliche Fondsmittel nach Maßgabe für politische Zwecke auch außerhalb der Buko-
wina einzusetzen.95 Wie schon 181196 entrichtete der Fonds nach den verlorenen Krie-
gen von 1859 und 1866 neuerlich einen beträchtlichen Obolus in die leeren Staatskas-
94 ÖSTA-AVA, Neuer Kultus NK Akath. gr.-or. K22, Beilage zum Entwurf (vgl. Anm. 93), Ausweis
Uiber die direkten Steuer[n], welche die sämmtlichen Bucowinaer g. n. u. Religionsfonds Herrschaften,
und die dahin gehörigen Gemeinden alljährig bezahlen.
95 Im Jahr 1850 bewilligte der Ministerrat 50.000 fl. aus Mitteln des gr.-orient. Religionsfonds für die
dringendsten Anschaffungen von Paramenten der griechisch nicht-unierten Kirche in der Woiwod-
schaft Serbien und im Banat, die unter den Folgen der Revolution von 1848 besonders gelitten hatte.
Dabei galt es offenbar unbedingt zu verhindern, dass Russland mit seiner Unterstützung (und damit
seinem Einfluss) an (auf) den Patriarchen zuvorkomme. Kletečka 2005, Ministerratsprotokolle 2/2,
Ministerrat v. 17.IV.1850/V, Nr. 322 ; 18.IV.1850/V, Nr. 323 u. 27.IV.1850/III, Nr. 331.
96 Vgl. Kap. 5 (Die wirtschaftliche Situation Mitte des 19. Jh.).
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439